Wie verändert die Coronakrise die Zukunft der Mobilität? Direktor Wim Vossebelt von V-Tron diskutiert 3 Trends.
Die Coronakrise zeigt bei vielen Trends, wie zukunftssicher sie sind, stellt Wim Vossebelt fest. Der CEO des niederländischen Unternehmens V-Tron sah zum Beispiel, wie bei einem Kooperationsprojekt mit einem deutschen Automobilzulieferer ausgebremst wurde, als die Mitarbeiter aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Kurzarbeit geschickt wurden. „Das war schon ein seltsamer Eindruck.“
Die Pandemie zwingt zum Nachdenken über die Zukunft der Mobilität, merkt er an. „Wie viel Mobilität brauchen wir eigentlich? Viele Menschen waren plötzlich gezwungen, von zu Hause aus zu arbeiten.“ Zunächst ist dies aufgrund der Zwangssituation nicht angenehm, aber viele Menschen haben inzwischen auch Vorteile entdeckt. „Werden wir wieder alle jeden Tag zur gleichen Zeit im Stau stehen? Wir wissen jetzt, dass es auch anders geht.“
Vossebelt sammelte seine Erfahrungen bei großen Automobilherstellern wie Audi und BMW. Heute ist er einer der vielen niederländischen Hightech-Zulieferer, die zusammen 18 Milliarden Euro im Jahr nach Deutschland exportieren. „Wir sollten nicht versuchen, aufzuholen, was wir in diesem Jahr versäumt haben. Wir sollten uns besser auf das konzentrieren, woran wir ab 2021 weiterarbeiten wollen.“
Vernetzte Fahrzeuge
Die Niederländer entwickeln unter anderem Lösungen, um Fahrzeuge digital miteinander zu vernetzen. „Der Verbraucher muss sich des Wertes von Daten wirklich bewusster werden. Wir lassen uns nun täglich von anonymen multinationalen Konzernen bestehlen. Aber wenn eine Corona-App eingeführt wird, werden wir plötzlich kritisch. Das ist eine Diskussion, die auch bei vernetzten Autos geführt wird.“
Vossebelt wagt es, sich auf diese Debatte einzulassen. „Weil wir nicht genau wissen, was wir verschenken, gehen schon fast heuchlerisch damit um.“ Auch Unternehmen müssen, seiner Meinung nach, viel mehr Daten untereinander austauschen. „Mein Motto ist: Wer nicht teilen kann, kann nicht multiplizieren. Durch das Teilen von Daten können wir mehr erreichen.“ Wenn es nach ihm geht, können Unternehmen die Verbraucher auch dafür bezahlen. „Warum nicht? Wenn Sie transparent sind, kann das sicherlich funktionieren.“
Als konkretes Beispiel nennt er Autofahrer, die im Stau stehen. „Deren Daten werden mit anderen Benutzern geteilt, die dadurch den Stau umfahren können. Die gemeinsame Nutzung dieser Daten sollte man belohnen.“
Sicherheit des Fahrers
Einer der meistdiskutierten Trends im Bereich Mobilität ist das „autonome Fahren“. „Lassen Sie uns mit dieser Diskussion aufhören“, sagt Vossebelt. „In der Theorie gibt es diese Idee schon seit 100 Jahren. In dieser ganzen Zeit haben wir noch nichts erreicht.“ Das liegt daran, dass der Mensch ein sehr guter Fahrer ist, sagt er.
„Autonomes Fahren“ funktioniert daher nicht, sagt er. „Man muss den Menschen nicht noch dümmer machen, indem man den Computer Aufgaben übernehmen lässt. Wir sind nicht so gut darin, den Computer ständig zu überprüfen, wir schlafen im Kontrollmodus schon innerhalb von sieben Minuten ein.“
Das Auto muss den Fahrer seiner Meinung nach mit Hilfe von Softwaresystemen vor allem unterstützen. „Geben Sie den Menschen vor allem eine aktive Rolle mit Unterstützung, das nennt man automatisierte Zeiten. Wenn Sie Ihr Gehirn mit voller Leistung nutzen, kostet das 35 Watt Energie. Wenn man diesen Prozess mit Computern nachbildet, kostet das zwei Kernkraftwerke. So ‚dumm‘ ist ein Computer nämlich.“
CarSharing
In Deutschland und den Niederlanden wird mit Carsharing und Mobility as a Service (MaaS) experimentiert. Auch von Vossebelt, wobei er seine Randbemerkungen dazu hat. „Viel zu häufig wird dies als Lösung für die Zukunft dargestellt. Davon gehe ich nicht aus. Es ist je nach Region und Zielgruppe unterschiedlich, ob Carsharing und MaaS eine gute Lösung sind.“
Er sagt voraus, dass der Autobesitz in ländlichen Gebieten die beste Lösung bleiben wird. „In Städten sieht das anders aus. Vor allem jetzt, da Parkgenehmigungen immer teurer werden, kann Carsharing billiger sein als Privatleasing.“ Durch Carsharing rechnen Verbrauchern genauer nach, was für sie am günstigsten ist. „Das hat er bei einem Freund in Frankfurt beobachtet, der von Privatleasing auf Carsharing umgestiegen ist. Es wird transparenter und das ist schön.“
Aber in den meisten Fällen, meint Vossebelt, wird das Carsharing-Auto das eigene Auto nicht ersetzen. „Ich sehe es in erster Linie als Ergänzung zum ÖPNV.“ Seiner Meinung nach funktioniert es nur bei bestimmten Zielgruppen, etwa bei jungen Leuten, die gerade ihren Uniabschluss gemacht haben. „Aber sobald sie zusammenziehen und Kinder und einen Hund dazukommen, kommt das eigene Auto ins Spiel. Und dann haben wir noch nicht einmal über den einen Moment im Jahr gesprochen, in dem auch ein Wohnwagen für den jährlichen Sommerurlaub hinter das Auto gehängt werden muss.“
Der Unterschied liegt im „Technology-Push“ oder „Technology-Pull“. „Man muss sich sehr genau anschauen, welches Problem für wen gelöst wird und wie man früher damit umgegangen ist.“ Carsharing ist kein heißes Thema, weil die Technologie plötzlich da ist. „Wenn ich das Bedürfnis verspüre, mir ein Auto zu teilen, tue ich das auch ohne App. Dazu ist keine Technologie notwendig. Dasselbe gilt für autonomes Fahren. Wenn das ein Wunsch der Verbraucher wäre, dann führen wir doch massenhaft mit dem Taxi, weil man dann gefahren würde?“
Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass Carsharing nicht neu ist, sagt er. „Bis vor etwa 10 Jahren nannten wir es einfach Mietwagen. Mieten ist nämlich die ultimative Form von Teilen.“
Carsharing ist vor allem als Ersatz für einen Zweitwagen interessant. „Zum Beispiel in einem Mehrfamilienhaus, in dem viele Leute ein zweites Auto haben, das nur selten benutzt wird. Das ist in der Regel in städtischen Gebieten der Fall, wenn man die Zweitwagen aller Bewohner durch einige wenige gemeinsam genutzte Autos (bevorzugt elektrische) ersetzen kann, bietet das enorme Vorteile.“
An diesem Beitrag haben mitgewirkt:
- Produktion: Emma van Harten und Leandra Marzluff
- Partnerships: Derk Marseille
- Redaktion: Bertus Bouwman und Peter Oehmen (sprachliche Adaption)
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