Innovative Unternehmen aus den Niederlanden suchen bewusst die Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Journalisten haben eine Inspirationsreise durch die benachbarten Provinzen gemacht. „Zusammen können wir Weltmeister werden.“
Die Innenstadt von Enschede kann an einem – für Niederländer – beliebigen Wochentag plötzlich voller Leute sein, die einkaufen. Dann wissen Sie: In Deutschland ist ein Feiertag. Die Deutschen finden den Weg in die Ostniederlande, aber auf geschäftlicher Ebene gibt es noch großes Potenzial.
Auch die Provinzen Overijssel und Gelderland sehen dieses Potenzial. Sie haben das Exportprogramm GO4EXPORT gestartet, das als Bindeglied zwischen Unternehmen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Netzwerken und Regierungen in beiden Ländern fungiert. Um die Region auf eine andere Art und Weise kennenzulernen, hat Hans Brouwers von OostNL das informative Kennenlernprogramm „Im Westen viel Neues“ entwickelt, in dem die deutsche Presse die Möglichkeit erhält, die Niederlande auf einzigartige Weise zu entdecken.
Starke Verbindung mit Enschede
Die Gruppe wird im nagelneuen und futuristisch anmutenden Galeriegebäude der Universität Twente (UT) begrüßt. Diese unternehmende Universität spielt am ersten Tag die Hauptrolle. „Die UT versucht insbesondere in den Bereichen Angewandte Wissenschaften, IT-Plattformen, KI, Technische Medizin und Nanotechnologiemit an der Weltspitze zu stehen“, sagt Pressesprecherin Hinke Mulder bei der Vorstellung. In Twente ist die deutsch-niederländische Zusammenarbeit bereits weit vorangeschritten. Es besteht eine starke Verbindung zur WWU Münster und etwa 15 % der rund 10.000 Studenten an der Universität Twente kommen aus Deutschland.
Das Besondere an der UT ist die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Dies geschieht im so genannten Wissenspark, der unter anderem einen Gewerbepark und den Universitätscampus umfasst. Enschede muss dafür sorgen, dass die Wechselwirkung zwischen der Expertise innovativer Unternehmen und talentierter Studenten sich besser entfaltet. Als Tüpfelchen auf dem i hat das Technische Medizinische Zentrum dort seinen Sitz. Ein hochmodernes Forschungszentrum, das mit präklinischen Betten und simulierten Wohn- und Krankenhausumgebungen ausgestattet ist. Und das trägt Früchte. Etwa die Hälfte der Spin-off-Unternehmen der UT sind im Gesundheitswesen tätig.
Im Osten der Niederlande entstehen Internet-Giganten
Die Universität ist bekannt für ihre vielen Start-ups und Spin-offs, die in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft realisiert werden. Internetgiganten wie Booking.com und Thuisbezorgd erblickten hier das Licht der Welt. Der Hightech-Entwickler DEMCON ist nur einen Steinwurf von dort entfernt, wo 1993 alles begann. Ihre technischen Entwicklungen, die für spezifische Zwecke bestimmt sind, dürfen absolut keine Fehler machen. Die Königlich Niederländische Münze verließ sich auf ihr Fachwissen, als sie eine vollautomatische Münzzählmaschine mit einem selbstlernenden Vision-Algorithmus benötigte.
Zurück auf dem Campus erhält Jaap Beernink vom Innovationszentrum NovelT das Wort, eine der treibenden Kräfte für in der Zusammenarbeit zwischen Bildung und Wirtschaft. Genauso wie beim Fußball scoutet die UT aktiv unternehmerische Talente. Die Fähigkeit von NovelT, eine Brutstätte zu schaffen, wird durch Start-ups unter Beweis gestellt, wie zum Beispiel 20Face, das sich auf die virtuelle Gesichtserkennung mit Opt-in-Option für Nutzer spezialisiert hat, und 4Silence, das die Lärmbelastung von Straßen ohne meterhohe Schallschutzwände reduziert und sogar schon einen Vertrag mit der Deutschen Bahn unterzeichnet hat.
Das Abendprogramm steht im Zeichen der Pitches von Fraunhofer, IJssel und Boost. „Unsere Feldlabore sollen Wissenschaft und produzierende Unternehmer miteinander verbinden“, erklärt Jan Oostenbrink. Dr. Biba Visnjicky vom renommierten Forschungsinstitut Fraunhofer Project Center in Enschede denkt groß. „Die europäischen Länder müssen stärker zusammenarbeiten, um bei Innovationen aus den USA und China nicht zurückzufallen. Obwohl es machbar ist, erfordert es einen Wandel in unserer dezentralen Denkweise.
Rien Slingerland van IJssel skizziert eine logistische Zukunftsvision. „Mit neuen Produktionsmethoden kann ein Bett von Auping in einer Hightech-Fabrik innerhalb von einer Minute schlafbereit gemacht werden.“
Am nächsten Morgen besuchte die deutsche Delegation 247TailorSteel in der Region Achterhoek. Dieses Hightech-Unternehmen ist Marktführer und Lieferant von auf Maß zugeschnittenen Blechen und Rohren und zählt zu den am schnellsten wachsenden seiner Art. Die Journalistengruppe ist sichtlich beeindruckt von dem Ehrgeiz, mit dem sich das Unternehmen mit seinem einzigartigen Online-Tool, Sofia, auf den deutschen Markt konzentriert, bei dem der Kunde sein Design hochlädt und sofort ein Angebot und einen Liefertermin erhält. Vertriebsleiter Florian Matt erklärt, wie das Unternehmen sein größtes Wachstum in Deutschland erreicht und bald Niederlassungen in Nordrhein-Westfalen und Süddeutschland eröffnen will.
Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen und den Ostniederlanden haben dieselbe Mentalität
Beim Mittagessen – natürlich mit einem niederländischen Brötchen mit Krokette – sehen die Journalisten Präsentationen mit Hintergrundinformationen über die Wirtschaftskraft der Ostniederlande. Pieter Dillingh, Teamleiter Innovative Fertigungsindustrie OostNL, spricht über die Stärke der Region, in der sich eine große Anzahl von Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen befindet. Auch führende Unternehmen aus den Bereichen Lebensmittel, Gesundheitswesen und Technologie.
Dillingh spricht über die beiden Flaggschiffe der Ostniederlande: Intelligente und nachhaltige Industrien und Konzepte für ein gesundes Leben. Während die Region mit ihrem ersten Flaggschiff an vorderster Stelle in den Bereichen bei Photonik, Smart Grid und Wasserstoff steht, zeichnet sich das zweite Flaggschiff durch einzigartige Kooperationen im Bereich Ernährung und Gesundheit in der Region aus. „Mit dem Programm TopFit, bei dem die Provinz, innovative Unternehmen und die Radboud UMC zusammenarbeiten, denken wir, eine große Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung erreichen zu können. Das Programm zielt auf die Prävention von Krankheiten und die Maximierung der Lebensqualität für unheilbar Kranke ab. Wissenschaftler glauben, dass TopFit langfristig das Leben um zwei Jahre verlängern kann.“
Professor Prof. Dr. Gert Jan Hospers, Stiftungsprofessor für den Wandel in Stadt und Region, hält einen Vortrag über „Heimliche Helden“ aus der Region. Er spricht über die Gemeinsamkeiten zwischen den Unternehmern aus der Region und den deutschen Nachbarn, die beide sehr „heimatverbunden“ sind. Eine „bodenständige“ Mentalität, die sich durch „gleichberechtigte Ansätze“ auszeichnet. In seinem Vergleich berücksichtigt er sowohl „harte als auch weiche wirtschaftliche Faktoren“.
Zu den zuvor genannten „heimlichen Helden“ zählt Hospers die meisten niederländischen Fahrradhersteller, die ihren Ursprung in der Region haben, sowie den bekannten Bettenhersteller Auping und sogar ein Hersteller von Teebeutelfäden. „Das ist auch Hightech, denn diese Fäden müssen sehr dünn und äußerst hygienisch sein.“ Als charakteristisch für die Region bezeichnet er das Leitbild eines Futtermittelherstellers in Overijssel: „Groß genug, um konkurrenzfähig zu sein, klein genug, um Sie zu kennen.“
Das Mittagessen endet inhaltlich mit einer Präsentation der INTERREG-Projekte, die mit europäischen Mitteln innovative, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den europäischen Regionen fördern. Projektleiter Alex van Geldrop spricht über die großen Chancen, die das europäische Geld für Unternehmer eröffnet hat, und listet eine große Anzahl erfolgreicher Projekte auf, die mit INTERREG-Mitteln einen deutlichen Schub erhalten und Tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen haben. Rocket, IPRO-n, Mind (Medical Innovation), Digipro und Bionik in KMU. Er macht deutschen Unternehmen aber auch Mut. „Viel Potenzial bleibt ungenutzt, denn Unternehmer bleiben in ihrer eigenen Region und trauen sich nicht, über die Grenze zu schauen.“
Lokale Lieferanten
Zum Abschluss besucht die Gruppe das Hightech-Unternehmen Bronkhorst in Ruurlo, welches das weltweit umfangreichste Sortiment an thermischen Massendurchflussmessern und -reglern herstellt. Die Produkte von Bronkhorst werden buchstäblich überall auf der Welt eingesetzt. Kellogg’s, Coca-Cola, Milchkartons und Eiscremes. Auf die Produkte aus der gelderländischen Achterhoek kann niemand verzichten.
Mit 500 Mitarbeitern ist das Unternehmen der wichtigste Arbeitgeber in der Umgebung und ist sich dieser Verantwortung sehr bewusst, sagt Distributor Sales Manager Pim van der Hall. Ein Beispiel dafür ist die neue Betriebskantine: Da es im Dorf keine großen Festsäle gibt, steht die Kantine auch der örtlichen Bevölkerung für Veranstaltungen zur Verfügung.
„Wenn in der Fabrik etwas kaputt geht, suchen wir traditionell nach einem lokalen Lieferanten, bevor wir es woanders billiger bekommen können.“
Und? Hat die zweitägige Expedition bei innovativen Unternehmen aus dem Osten nun etwas gebracht? Hartmut Rosowski, Leiter der Repräsentanz der Deutschen Niederländischen Handelskammer in Düsseldorf, der die Reise begleitet, bringt es auf den Punkt. „Viele Innovationen kommen gerade aus den Ostniederlanden. Es gibt natürlich viele Regionen, die innovativ sind, aber der Osten wird unterschätzt. Sowohl von den Niederländern selbst als auch von den Deutschen.“ Mit diesem Missverständnis ist nach dieser Reise natürlich endgültig aufgeräumt.
Hans Brouwers von der Entwicklungsgesellschaft OostNL freut sich über das große Interesse aus Deutschland und sieht gute Chancen für eine zukünftige Zusammenarbeit. „Wenn die Niederlande und Deutschland ein Land wären, wären wir Weltmeister im Fußball und bei Innovationen!“
Journalisten beeindruckt vom Unternehmergeist
Die zweitägige Tour durch die östlichen Niederlande wird den begleitenden Journalisten zufolge ihrem Titel „Im Westen viel Neues“ mehr als gerecht.
Martin Borck von den Westfälischen Nachrichten lobt die niederländische Unternehmermentalität. „Die ist im Allgemeinen viel lockerer als die deutsche. Ein niederländischer Unternehmer kommt spontan vorbei, um mit einem Kollegen eine Tasse Kaffee zu trinken.“
Lutz Kämpfe, Journalist des Westfälischen Anzeigers, ist der Meinung, dass niederländische Unternehmen in der Regel aufmerksamer sind und schneller auf neue Entwicklungen reagieren als ihre deutschen Kollegen. „Einige deutsche Unternehmer neigen immer noch dazu, zu denken, dass das Internet etwas ist, das wieder verschwinden wird.“
Guido Hartmann, Wirtschaftsredakteur der Welt am Sonntag, ist besonders von dem Unternehmergeist beeindruckt, den er bei jungen Niederländern erlebt hat. „In Deutschland wollen die meisten jungen Menschen Beamte werden. Risiken einzugehen und den Mut zum Scheitern zu haben, liegt uns eindeutig nicht im Blut. Daher ist es gut, dass der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister das Fach ‚Unternehmertum‘ in der Schule einführen will.“
Für Laura Fühner, Redakteurin der Grafschafter Nachrichten, ist es sehr nützlich niederländische Unternehmen kennenzulernen. „Eigentlich kannte ich Enschede hauptsächlich vom Blumenmarkt. Ich empfinde vor allem die Zusammenarbeit zwischen der TU Twente und den lokalen Start-ups als besonders. In Nordhorn, wo ich arbeite, ist diese Kultur nicht so stark ausgeprägt: Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf KMU.“
Nina Kallmeir von der Neuen Osnabrücker Zeitung sucht nach Hintergründen zu einem kürzlich erschienenen Bericht über die Zusammenarbeit in der Grenzregion. Darin heißt es, dass viele Chancen ungenutzt bleiben. „Hier habe ich gesehen, dass es funktionieren kann, wenn man sein Bestes gibt. Natürlich wird es immer kulturelle Unterschiede geben, wie z. B. eine flachere Hierarchie in den Niederlanden, aber diese Unterschiede sind bestimmt nicht unüberbrückbar.“
Julian Binn, Journalist bei Mediamix, einer Agentur für grenzüberschreitende Kommunikation, zeigte sich besonders beeindruckt vom Startup 4Silence. „Darüber hinaus finde ich es ganz besonders, dass ein Hightech-Unternehmen wie 247Tailorsteel bei seinem Marketing besonderen Wert auf Mundpropaganda legt.“
Weitere Informationen: Wenden Sie sich an Hans Brouwers
Text: Arjan Paans und Jelmer Visser
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