Lebensmittel online bestellen und dann bis in die Küche liefern lassen. Immer mehr Verbraucher folgen diesem Trend. Der niederländische Online-Supermarkt Picnic feiert jetzt große Erfolge im
eigenen Land. Seit Anfang des Jahres liefert Picnic auch in Deutschland.
Mitgründer Michiel Muller über Wachstumsambitionen, Herausforderungen und vor allem über den deutschen Markt.
Wie ist Picnic entstanden?
Meine Kollegen Joris Beckers und Frederik Nieuwenhuys kamen auf die Idee, als sie gerade ihre eigene Softwarefirma verkauft hatten. Sie hatten Software für Webshops entwickelt und herausgefunden, dass die Online-Penetration in verschiedenen Branchen hoch ist – aber nicht für den Online-Einkauf von Lebensmitteln.
Joris und Frederik kamen damals mit den Plänen, einen Online-Supermarkt zu eröffnen, auf mich und Bas Verheijen zu, der sich gut in der Supermarktbranche auskennt.
*Lebensmittel sind online viel schwieriger zu verkaufen als etwa Reisen. Warum tun Sie sich das an?
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Online-Shopping für Lebensmittel steckt noch in den Kinderschuhen. Es hat nur einen Marktanteil von ein bis zwei Prozent. Während Reisen, Mode und Elektronik schon bis zu 30 Prozent online gekauft werden. Viele werden denken: Ja, das ist logisch. Aber das ist es nicht! Denn der Einkauf von Lebensmitteln ist immer gleich und es kostet viel Zeit. Wir haben das untersucht und herausgefunden, warum Menschen ihre Lebensmittel nicht online einkaufen. Erstens, sie wollen nicht für die Lieferung zahlen und zweitens, sie wollen nicht stundenlang auf ihre Lieferung warten.
Gratis Lieferung
*Was machen Sie anders als andere?
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Wir erneuern die gesamte Infrastrukturkette und können somit gratis liefern. Alles, was Supermärkte tun, machen wir ganz anders. Auf diese Weise können wir etwas Neues schaffen. Beim Lebensmitteleinkauf war der Online-Einkauf immer teurer als wenn der Kunde im Laden einkauft. Das ändern wir jetzt. Picnic ist heute weltweit der einzige Anbieter, bei dem Online-Shopping günstiger ist als die Shop-Variante. Bei anderen Anbietern zahlen Kunden schon mal schnell sieben oder acht Euro Lieferkosten.
*Aber wie machen Sie das?
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Wir haben keinen eigenen Supermarkt und sparen so. Wenn Sie einen Supermarkt betreiben, gibt es viele Kosten im Supermarkt an sich. Man muss das Gebäude finanzieren, in eine Ladeneinrichtung investieren, Miete zahlen. Hinzu kommen die Personalkosten. Wir sparen diese Kosten und verwenden das Geld, um die Lebensmittel nach Hause zum Kunden zu bringen. Außerdem gibt es bei uns das Problem der Lebensmittelverschwendung gar nicht, was uns nachhaltiger macht, aber auch letztendlich Kosten spart.
*Wo investieren Sie am meisten?
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Der größte Teil unserer Investitionen fließt in die Infrastruktur unserer intelligenten Distributionszentren und in unsere 100-prozentig selbst entwickelten Elektroautos. Darüber hinaus investieren wir viel in unsere digitale Infrastruktur und erstellen eine App, mit der die Kunden in drei Minuten einkaufen können.
*Vergleicht Picnic sich mit anderen Supermärkten?
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Vielmehr könnte man uns mit Dienstleistern vergleichen, die auch Kunden zu Hause mit Lebensmitteln beliefern. Aber viele Leute kaufen zum ersten Mal bei uns online ein und freuen sich, wie einfach es ist. Außerdem liefern wir minutengenau: Der Konsument kann den Lieferwagen auch auf seiner App verfolgen und muss im Prinzip nur für eine Minute zu Hause sein. Zusammen mit der kostenlosen Lieferung schaffen wir einen Massenmarkt – es ist kein Premiummarkt mehr.
*Wie gehen die Entwicklungen mittlerweile voran?
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Wir sind jetzt in den Niederlanden in rund 50 Städten aktiv, haben fünf Vertriebszentren in Utrecht, Nijkerk, Diemen, Eindhoven und Viersen (D) und haben rund 150.000 Kunden. Inzwischen stehen schon 50.000 potenzielle Kunden auf unserer Warteliste. Jede Woche nehmen wir Tausende von Menschen in unser System auf und dann können sie bestellen. Wir wollen jedem, den wir in unser Geschäft lassen, die beste Qualität und den besten Service bieten. Wenn Kunden um 22 Uhr bestellen, werden sie am nächsten Tag beliefert. Natürlich brauchen wir auch genügend Transporter und Personal, um die Lebensmittel ausliefern zu können.
Wie es der Milchmann früher getan hat
*Was können Sie als Picnic ändern?
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Wir haben ein völlig neues Modell, haben unsere eigenen nachhaltigen Lieferwagen, sind extrem pünktlich und haben einen hohen Servicegrad. Dem Kunden ersparen wir zwei Stunden einkaufen pro Woche. Wir minimieren außerdem den Verkehr in den einzelnen Wohngebieten. Wir gruppieren unsere Lieferungen, wie es der Milchmann früher getan hat, in effizienten Auslieferfahrten.
*Wie können Sie dafür sorgen, dass alle Strukturen mitwachsen?
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Derzeit beschäftigen wir mehr als 2.000 Mitarbeiter. Es ist eine große Herausforderung, alle Leute mit einzubeziehen. Von den Leuten im Büro über die Einkäufer bis hin zu den Mitarbeitern, die die Warenkörbe zusammenstellen und unseren Runnern – so nennen wir unsere Zusteller. Wir müssen in der in der Lage sein, jedem die Picnic-Kultur zu vermitteln. Und auch unsere Lieferanten müssen mit uns wachsen können.
*Und was sind die finanziellen Ziele?
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Im letzten Jahr hatten wir einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro. In diesem Jahr wollen wir ihn mindestens verdoppeln. Unsere Hubs sind innerhalb von sechs Monaten rentabel, auch dadurch, dass unser durchschnittlicher Kunde 42 Mal im Jahr bestellt. Und die Kunden sind sehr loyal: Nach fünf Bestellungen bleiben sie uns treu. In diesem Jahr wollen wir unseren Service noch in fünf bis sechs weiteren Städten anbieten.
*Sind die Deutschen eigentlich bereit für das Online-Shopping von Lebensmitteln?
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Sicherlich. Einer unserer Mitarbeiter spielte lange in einer Band und ist oft in Deutschland aufgetreten. Er sagt: Es dauert etwas länger, bis die Deutschen auf der Tanzfläche sind, aber wenn sie einmal da sind, bleiben sie auch. Die Niederländer sind sehr schnell: Es gibt etwas Neues, lasst es uns sofort ausprobieren. Die Deutschen sind skeptischer, warten ab und wollen vorher viel über Produkte und Preise wissen. Danach läuft alles genau so wie in den Niederlanden.
Lokale Produkte
*Wie verlief der Start von Picnic in Deutschland?
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Erst gab es eine Testphase unter einem anderen Namen. Wir haben das bewusst so gemacht, weil wir nur den Service testen wollten. Auf diese Weise haben wir wertvolles Feedback zum Service und zu unseren Produkten erhalten und es ging noch nicht um das Unternehmen. In Deutschland haben wir zum Beispiel viele lokale Produkte hinzugefügt.
*Warum haben Sie sich für Nordrhein-Westfalen entschieden?
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Das hat ganz praktische Gründe. Wir können an einem Tag hin und zurück fahren. Es ist nicht gleich so weit weg wie Berlin. Außerdem glauben wir, dass NRW den Niederlanden etwas ähnelt. Wir haben außerdem einen Deal mit Edeka Rhein-Ruhr vereinbart. Sie sind Großhändler und liefern einen wichtigen Teil unseres Sortiments. Darüber hinaus haben wir eigene Lieferanten, die lokale Produkte liefern.
*Wo genau können die Kunden in Deutschland über Picnic bestellen?
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In fünf Städten: In Düsseldorf Oberkassel, Kaarst, Meerbusch, Neuss und Mönchengladbach. Es ist natürlich logisch, auch andere Teile Düsseldorfs zu beliefern, aber wir haben jetzt unseren Hub in Neuss. Wir können von dort aus nur einen Radius von zehn Kilometern ziehen. Wir fahren mit Elektroautos – die fahren nicht so schnell.
*Welche Reichweite haben die kleinen Lieferwagen?
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Die Autos können theoretisch 100 Kilometer pro Tag fahren. Aber wenn man viel fährt, dauert es lange und das ist schlecht für die Effizienz. Unsere „Runner“ müssen liefern und nicht fahren. Wenn wir also andere Regionen beliefern wollen, müssen wir neue Hubs öffnen. – In Düsseldorf mindestens zwei weitere.
*Wie unterscheidet sich der deutsche vom niederländischen Kunden?
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Sie sind sich sehr ähnlich. Wir brauchen keinen anderen Ansatz. Wir haben ein hohes Serviceniveau und die ganze Kommunikation kann ganz locker verlaufen. Und das funktioniert auch bei den deutschen Kunden sehr gut.
Stadt für Stadt wachsen
*Die Expansion in Nordrhein-Westfalen ist also geplant. Aber was ist Picnic’s Deutschland-Plan?
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Unsere deutsche Agenda ähnelt unserer niederländischen Agenda sehr. Wir werden Stadt für Stadt wachsen und die Geschwindigkeit wird dabei sicher noch weiter Fahrt aufnehmen.
*Wie wichtig ist ein lokales Team in Deutschland?
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Das ist sehr wichtig für uns. Wir brauchen Mitarbeiter, die den Markt verstehen, die Sprache sprechen und die Kultur verstehen. Heute beschäftigen wir in den Niederlanden 2.000 Mitarbeiter. In Neuss, Viersen und Düsseldorf beschäftigen wir nun insgesamt 100 Mitarbeiter. Und bei manchen Dingen spielt es keine Rolle, wo unsere Leute arbeiten. Zum Beispiel für die Software der App und die Analyse der optimalen Routen.
*Welche Rolle spielen Daten für Picnic?
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Das digitale Umfeld spielt eine wichtige Rolle. Die App wird für jeden User angepasst und formt sich nach seinem Kaufverhalten. Wir verwenden Daten, um es dem Kunden leichter zu machen oder von ihm zu erfahren, welche Produkte er sich wünscht. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass beliebte Produkte angeboten werden und andere aus dem Sortiment genommen werden.
Marktanteil
*Wie charakterisieren Sie sich als Manager?
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Manager? Nein, ich bin eher ein Unternehmer. Ich finde es wichtig, permanent zu prüfen, ob die Dinge noch richtig funktionieren. Da helfen uns die Daten nun natürlich sehr. Gleichzeitig gibt es noch viel Raum für das Gefühl, um die Kultur aufbauen zu können. Das gefällt mir am besten. Man darf nie den Unternehmergeist verlieren, muss risikofreudig bleiben und auf die Kundenwünsche eingehen. Man darf niemals denken, jetzt haben wir die goldene Formel und können uns zurücklehnen. Es gibt viele andere Unternehmen, die ebenfalls fit sind. Wir erneuern uns deshalb immer weiter.
*Glauben Sie, dass jeder bald online seine Lebensmittel bestellen wird?
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Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Supermärkte wird es immer geben. Aber wenn der Marktanteil auf zehn, 20 oder sogar 30 Prozent steigt…. In Deutschland liegt er derzeit bei einem Prozent, so dass dieser Anteil noch um 99 Prozent gesteigert werden kann. Es gibt also gigantisches Potenzial. Und das wollen wir mit unserem neuen Modell nutzen.
*Diese Artikel ist zuerst im Wirtschaftsmagazin MARKT der Deutsch-Niederländischen Handelskammer erschienen
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