So schwer die Coronakrise auch sein mag, der Beauftragte des BMWi für Digitale Wirtschaft und Startups, Thomas Jarzombek, sieht sie auch als Impuls für die Digitalisierung in Deutschland. Er plädiert für eine stärkere europaweite Zusammenarbeit, unter anderem mit den Niederlanden.
Anfang dieses Jahres war Thomas Jarzombek als Beauftragter des BMWi für Digitale Wirtschaft und Startups einer der Sprecher auf der Blockchain = Collaboratoin Nacht in der niederländischen Botschaft in Berlin. Er plädierte für eine stärkere europäische Zusammenarbeit, um die Digitalisierung voranzubringen.
Seit dem Ausbruch der Coronakrise ist er eng in die Entwicklung des Hilfspakets für Startups einbezogen. Mit Niederlande Nachrichten spricht er über die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit, um die Industrie zu digitalisieren.
Trotz aller Schwierigkeiten wird die Coronakrise von vielen auch als Chance für die Digitalisierung (für Unternehmen) gesehen. Welche Chancen und Lehren sehen Sie für die europäische Industrie, besonders jetzt, wo es so schwierig ist?
„Die Corona-Krise ist ein Booster für die Digitalisierung in Deutschland. Viele Innovationen, bei denen gefragt wurde „Wozu brauchen wir das?“ um dann noch zahlreiche Bedenken hinterherzuschieben, finden nun endlich statt. Und siehe da: Es geht! Wir müssen uns dafür rüsten, indem wir noch mehr in Technologie-Startups investieren. Deshalb haben wir die Mittel für Startup-Finanzierungen von vier auf acht Milliarden Euro erhöht und sehen mehr und mehr Gründungen, die eben nicht nur zu Yoga-Apps, sondern zu global führender Technologie führen.“
- Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, um sicherzustellen, dass Europa im globalen Wettbewerb um Innovation und Digitalisierung wettbewerbsfähig ist?
Das hängt von vielen Faktoren ab: Von der Förderung von Schlüssel- und Zukunftstechnologien, der Zusammenführung und Nutzung von Daten, dem Zugang zu Venture Capital und der gezielten Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Digitalisierung – um nur einige zentrale Punkte zu nennen. Das Bundeswirtschaftsministerium ist in allen diesen Bereichen aktiv. Wir fördern KI-Projekte und den Aufbau innovativer und umweltschonender Batteriezellfertigungen in Deutschland und Europa, wir haben GAIA-X gestartet, arbeiten an einem Zukunftsfonds für Start-ups und unterstützen KMU vor Ort in über zwei Dutzend Industrie 4.0-Kompetenzzentren.
- GAIA-X ist ein ehrgeiziges Projekt. Wie können Sie sicherstellen, dass die KMU diese Initiative auf breiter Basis annehmen?
KMU bilden den Dreh- und Angelpunkt von GAIA-X. Der europäische Cloud-Anbietermarkt ist von KMU geprägt – deren Angebote gilt es, zu einem homogenen und skalierbaren Gesamtsystem zu verknüpfen. Auch auf der Nachfrageseite arbeiten wir eng mit KMU zusammen. So stellen wir sicher, dass das Angebot von GAIA-X deren Bedürfnissen entspricht. Denn gerade KMU bieten ein großes Marktpotenzial für Cloud-Lösungen. Das wollen wir mit einem interessanten und passenden Angebot nutzen.
- Was sehen Sie als größtes Risiko für den Erfolg von GAIA-X?
Eine besondere Herausforderung ist es aktuell, die zahlreichen Interessenten aus Deutschland und auch aus Europa einzubinden, die am Projekt mitwirken möchten. Die große Resonanz ist aber natürlich vor allem eine Chance für GAIA-X und kein Risiko.
- Gibt es einen Unterschied zwischen „starken“ Ländern wie den Niederlanden, Finnland, Deutschland und Frankreich und anderen Teilen Europas?
Aktuell treiben wir das Projekt auf Regierungsebene im Rahmen einer deutsch-französischen Kooperation voran. Unternehmen aus einigen weiteren europäischen Ländern arbeiten bereits in den Arbeitsgruppen mit. Ziel ist es, das Projekt möglichst bald auf eine breitere europäische Basis zu stellen. Deshalb freuen wir uns über jeden EU-Mitgliedstaat, der Interesse an GAIA-X hat.
- Wie realistisch ist es, dass dieses Projekt innerhalb von 1-2 Jahren wirklich auf den Weg gebracht wird und zu einer breiten Akzeptanz in Europa und nicht zu größeren Unterschieden führen wird?
Wir arbeiten unter Hochdruck daran, das Projekt so bald wie möglich in die Praxis umzusetzen und eine breite Akzeptanz in Europa zu schaffen. Bis Ende 2020 wollen wir erste Anwendungsfälle beim Kunden testen. Der Zeitplan ist ambitioniert, aber machbar.
- In Deutschland gibt es viel Skepsis. Zu Recht?
GAIA-X steht allen – auch nicht-europäischen – Unternehmen und Organisationen offen, die unsere Ziele der Datensouveränität und Datenverfügbarkeit teilen. Es steht auf einer breiten Basis von beteiligten Unternehmen und Organisationen. SAP zum Beispiel ist seit Beginn in das Projekt involviert und eines der Gründungsunternehmen. Und auch andere internationale Technologiekonzerne sind bereits in das Projekt eingebunden.
- Wie stellen Sie sicher, dass die Parteien bei solchen komplexen Projekten tatsächlich zusammenarbeiten?
Durch entsprechende Projektstrukturen und unser Projektmanagement. Natürlich ist es heraufordernd, so viele Akteure und Mitwirkendende einzubinden – bislang gelingt das aber gut. Strukturen und Prozesse werden kontinuierlich weiterentwickelt, um den Bedürfnissen des Projekts gerecht zu werden.
- Kennen Sie die niederländische Data Sharing Coalition? Macht es Sinn, dies auf die europäische Ebene auszuweiten?
Die Initiative ist dem Wirtschaftsministerium bekannt und es gab in der Vergangenheit auch schon Gespräche mit den Niederlanden hierzu. Eine Ausweitung auf die europäische Ebene und ggf. auch mögliche Synergien zwischen der Data Sharing-Initiative und GAIA-X werden gemeinsam konstruktiv eruiert.
- Die Niederlande sind traditionell sehr stark in der Zusammenarbeit in der Kette und in der Folge sind mehrere Initiativen zum Datenaustausch entstanden. Unser Eindruck von GAIA-X ist, dass es eher die vertikale als die horizontale Vernetzung in der Branche unterstützt. Also vor allem aus der Industry 4.0-Idee: Maschine A am Standort X kommuniziert mit Maschine B am Standort Y, anstatt die Zusammenarbeit in der Kette weitgehend zu unterstützen. Stimmt das, oder sieht es anders aus?
Dieser Eindruck täuscht. Der Datenaustausch soll dort stattfinden, wo er sinnvoll und gewinnbringend ist. GAIA-X soll eine Basis für den Datenaustausch in den Domänen und darüber hinaus bieten. Das zeigen auch die Use Cases, die wir bereits anlässlich des letzten Digitalgipfels Ende 2019 beschrieben haben.
- Wo können wir uns gegenseitig ergänzen?
Wir wissen um die Innovationsstärke der Niederlande. Deshalb gibt es zwischen der deutschen Plattform Industrie 4.0 und dem Smart Industry Program der Niederlande bereits eine sehr fruchtbare Kooperation im Bereich Industrie 4.0. Es konnten schon zahlreiche gemeinsame Projekte in Form gemeinsamer Use Cases gestartet werden. Damit hilft die Kooperation ganz praktisch bei der Vernetzung von Unternehmen beider Länder im Bereich von Industrie 4.0.
Grundsätzlich sind die Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden überaus eng und harmonisch. Deutschland ist mit Abstand der wichtigste Handelspartner der Niederlande. Es finden regelmäßig Treffen auf Ministerebene und Regierungskonsultationen statt.
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