Der Fachkräftemangel betrifft die deutsche und die niederländische Industrie gleichermaßen. Zudem erfordert die Digitalisierung in beiden Ländern vollkommen neue, digitale Kompetenzen der Beschäftigten. Wie sich Deutschland und die Niederlande bei der Entwicklung und Vermittlung digitaler Fachkenntnisse und Fähigkeiten unterstützen können, diskutieren Industrievertreter auf der Hannover Messe.
Die Arbeitswelt in der Industrie steht mit der Digitalisierung vor großen Umbrüchen. Einerseits fallen Arbeitsplätze durch die Automatisierung von Prozessen weg. Andererseits besteht ein massiver Fachkräftemangel, weil Arbeitskräfte mit den erforderlichen Kenntnissen auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden sind. „Das stellt Unternehmen vor riesige Herausforderungen, denn die benötigten Kompetenzen verändern sich rasend schnell. Die Mitarbeiter müssen sich mit der Automatisierung vertraut machen und das ist eine vollkommen andere Art zu denken“, sagt Mark Helder, der Vorsitzende der Koninklijke Metaalunie.
„Die Sicherung von Wissen innerhalb eines Unternehmens spielt eine immer größere Rolle“, erläutert Maurice Kruse, CEO von Total Reality. Sein Unternehmen hat sich auf Lösungen für Virtual und Augmented Reality spezialisiert. Dazu hat es eine Plattform entwickelt, über die Unternehmen ihre eigenen Augmented-Reality-Anleitungen erstellen können. Wir sollten nicht in Landesgrenzen denken und das schon gar nicht in Europa, sagt Kruse. Daher richtet er sich mit seinem Unternehmen auch auf den deutschen Markt.
„Der Fachkräftemangel ist ein grenzüberschreitendes Problem, daher müssen Firmen zum Beispiel bei einfacheren technischen Wartungsarbeiten in der Lage sein, diese selbst durchzuführen“, so Kruse. Die Lösungen von Total Reality setzen genau dort an und unterstützen die Mitarbeiter bei Arbeiten, die nicht regelmäßig durchgeführt werden. Das Unternehmen aus dem niederländischen Enschede steht auch in diesem Jahr wieder im Holland High Tech Pavillon in Halle 8.

Die Wichtigkeit von Wissensmanagement innerhalb eines Unternehmens erkennt auch Willem Drost von psps business abroad. Er hat 40 niederländische Start-ups mit nach Hannover gebracht, die in Halle 17 unter anderem Lösungen in diesem Bereich präsentieren. „Unternehmen werden immer komplexer und es gibt immer eine gewisse Mitarbeiterfluktuation. Dann muss man in einem solchen Unternehmen, den Mitarbeitern immer wieder aufs Neue erklären, was sie genau machen müssen.“ Gleichzeitig ist es angesichts des hohen Tempos der Digitalisierung von Prozessen nahezu unmöglich, alle Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
Digitale Kompetenzen sind unabdingbar
„Mit dem Ende von Verbrennungsmotoren in Autos im Jahr 2035 werden sich auch die benötigten Kompetenzen und Fähigkeiten im Bereich Mobilität verändern“, sieht Albie van Buel, Vorsitzender von RAI Automotive Industry NL. Der komplette Antriebsstrang von Fahrzeugen verändert sich und neue Technologien erfordern vollkommen andere Kompetenzen. Ebenso in Bezug auf die Entwicklung, dass Fahrzeuge sich immer mehr zu digitalen Mobilitätsplattformen entwickeln. Die Autowelt wird sich in dieser Hinsicht völlig verändern und andere Fähigkeiten und Kompetenzen erfordern.
Die Digitalisierung ist ein Muss, um die Produktivität in der Industrie zu steigern. „Gleichzeitig muss aber auch in die Menschen investiert werden“, ist Theo Henrar, der Vorsitzende von FME überzeugt. Unternehmen müssen in digitale Fachkenntnisse investieren. Die entsprechenden Programme haben wir im Bereich Smart Industry, fährt er fort. „Manche Unternehmen sind davon enttäuscht, dass die Technologie nicht die gewünschte Wirkung entfaltet“, ergänzt Peter van Harten, Botschafter für Smart Industry.

„Auf der Hannover Messe haben wir immer über Technologie und Innovationen gesprochen und die dazu erforderlichen Kompetenzen sind dabei etwas in den Hintergrund geraten. Diese Kompetenzen machen allerdings über 50 % der Wirkung von neuer Technologie aus“, so van Harten. Um das erforderliche Wissen und die benötigten Kompetenzen zu vermitteln, entsteht die Smart Makers Academy. Darüber sollen Kenntnisse entlang mehrerer Hauptstränge zielgerichtet und praxisnah vermittelt werden. Das sorgt unter anderem für das erforderliche Tempo, damit dieses Wissen möglichst schnell dort ankommt, wo es benötigt wird.
Mehr Frauen für technische Berufe begeistern
„Deutschland und die Niederlande stehen vor denselben Herausforderungen, für die es keine einzelne Lösung gibt“, sagt Marc Hendrikse, Vorsitzender von Holland High Tech. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen wir mehr Frauen für technische Berufe in der Industrie begeistern. Gleichzeitig muss das Konzept von Lerngemeinschaften zwischen Industrie und Bildungsbereich ausgebaut werden. „Diese Aspekte stehen auf unserer strategischen Tagesordnung für die Zusammenarbeit mit Deutschland“, so Hendrikse.

Die Digitalisierung der Industrie erfordert digitale Kompetenzen. „Die Herausforderung besteht allerdings darin, dass die Digitalisierung weltweit rasend schnell voranschreitet und vor allem komplexe Unternehmen keine geeigneten Fachkräfte finden können“, stellt Willem Drost fest. In Deutschland gibt es hervorragende Fachausbildungen, aber auch hier absolvieren zu wenig Menschen diese Ausbildungen im Hinblick auf die Digitalisierung.
„Im Automobilbereich sind aufgrund des Hightech-Hintergrunds in den Niederlanden viele der benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten in der Industrie und den Wissens- und Bildungseinrichtungen bereits vorhanden“, erklärt Albie van Buel. Hier werden große Fortschritte dabei erzielt, industrielle mit digitalen Kompetenzen zu verbinden. „Nun geht es darum, dies mit der deutschen Industrie zu verknüpfen. Dies ist eine großartige Gelegenheit für die niederländische Industrie, deutsche Erstausrüster zu unterstützen“, fährt van Buel fort.
Niederländische Unternehmen auf der Hannover Messe 2023
Auf der Hannover Messe treffen sich Vertreter und Unternehmen der niederländischen Industrie und diskutieren über digitale Kompetenzen. Besuchen Sie vom 17. bis 21. April 2023 die niederländischen Start-ups und Scale-ups in Halle 17 sowie den Holland High Tech Pavillon in Halle 8 und tauschen Sie sich mit niederländischen Unternehmern aus. Die Niederlande sind bereits ein zuverlässiger Handelspartner für Deutschland und entwickeln sich immer mehr zu einem zuverlässigen Innovationspartner.
