Ebenso wie in Deutschland steht auch die niederländische Industrie vor einer neuen Klimapolitik. Direktor Rob Kreiter von TKI Energy & Industry sieht große Veränderungen in der Innovationspolitik rund um das Klimaabkommen. „Wir bewegen uns weg von einem Technologiedruck und gehen zu einer aufgabenorientierte Innovationspolitik über.“ Damit können wir sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Umsetzung innovativer Energietechnologien wirkliche Fortschritte zu erzielen.“
Diese und andere Themen werden beim European Industry & Energy Summit (EIES) 2019 am 10. und 11. Dezember in Amsterdam im Mittelpunkt stehen. Weitere Informationen und Anmeldung
Ob der Zeitpunkt bewusst gewählt wurde oder nicht, das Timing von Rob Kreiter scheint perfekt zu sein. Mit der Übernahme der Leitung bei TKI Energie & Industrie durch Peter Alderliesten ändert sich der Ansatz der Innovationspolitik drastisch. Das Klimaabkommen und die Einführung einer aufgabenorientierten Innovationspolitik hängen natürlich damit zusammen.
Kreiter: „Die Regierung hat sich das klare Ziel gesetzt, die nationalen CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 49 Prozent und bis 2050 um 95 Prozent zu senken. Es ist ziemlich einzigartig, dass ein Prozess mit so vielen beteiligten Parteien zu klaren Innovationszielen geführt hat.
Mit Blick auf diese neuen, von CO2-Einsparungen geleiteten Zielen sind andere Formen der Innovation erforderlich. Gleichzeitig muss auch gegenseitige Abhängigkeit der Sektoren berücksichtigt werden. Das macht die Aufgabe sicherlich ein Stück komplexer, aber gleichzeitig auch wesentlich interessanter. Insbesondere, weil große CO2-Gewinne an der Schnittstelle zwischen Industrie, Elektrizitätssektor, Landwirtschaft, Verkehr und bebauter Umgebung erreicht werden können.“
Klare Aufgabe
Während der Gespräche über das Klimaabkommen wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, welche die Vereinbarungen, Ziele und Lösungsrichtungen der fünf Bereiche in eine Integrierte Wissens- und Innovationsagenda (IKIA) umsetzen sollte.
Schließlich reduzierte die Arbeitsgruppe die nationalen Klimaherausforderungen auf fünf Aufgaben. Ein völlig CO2-freies Elektrizitätsnetz ist eine der Aufgaben, aber zum Beispiel auch eine CO2-freie Gebäudeumgebung.
Eine Aufgabe, mit der sich die Industrie besonders beschäftigt, wird etwas genauer beschrieben: Bis 2050 sind Produkte, Rohstoffe und Prozesse in der Industrie klimaneutral und befinden sich mindestens zu 80 % in einer Kreislaufwirtschaft. Diese Aufgabe hängt mit drei Themen zusammen, für die mehrjährige, aufgabenorientierte Innovationsprogramme (MMIP) entwickelt werden sollen.
Das erste MMIP ist das Schließen der Industriekreisläufe, das zweite ein CO2-freies, industrielles Wärmesystem und das dritte Innovationsthema sind Elektrifizierung und radikal erneuerte Prozesse. Übrigens ist das für alle Sektoren gemeinsame MMIP vielleicht das interessanteste: Ein robustes und gesellschaftlich getragenes Energiesystem.
Mehrjahresprogramme
Kreiter: Der neue Ansatz unterscheidet sich auf vielen Ebenen vom alten. Vor allem der integrale Ansatz bietet den Unternehmen mehr Möglichkeiten, Projekte tatsächlich zum Erfolg zu führen. In der Vergangenheit wurde manchmal ein Pilotprojekt gestartet und wenn man skalieren wollte, musste der gesamte Subventionsprozess erneut durchlaufen werden. Mit ungewissem Ausgang. Wir versuchen jetzt, längerfristige Mehrjahresprogramme aufzustellen, in denen mehrere Teilaufgaben zusammenkommen. Das mag die Anträge für diese Projekte zunächst etwas komplizierter machen, aber es sorgt auch dafür, dass die Dynamik erhalten bleibt.
Dabei sind die Ausgangspunkte auch etwas anders gelagert als in der Vergangenheit. Wo in der Vergangenheit manchmal von der Technologie ausgegangen wurde und dann nach Anwendungen gesucht wurde, fangen wir jetzt immer am anderen Ende an: Welche Funktion soll nachhaltiger gestaltet werden?
Wärme
Kreiter nennt den industriellen Wärmebedarf als Beispiel. „Die Industrie nutzt hauptsächlich Energie zur Erzeugung hoher Temperaturen.“ Anstatt sich direkt mit Lösungen wie Wasserstoff zu beschäftigen, machen wir zunächst eine Bestandsaufnahme der Alternativen zu einem Kraftstoff. Möglicherweise kann ein Teil des Bedarfs durch ultratiefe Geothermie oder durch die Aufwertung von Restwärme abgedeckt werden. Sicherlich für die niedrigeren Temperaturen, unter zweihundert Grad Celsius, wollen wir die Kohlendioxidreduzierung beschleunigen. Das Schöne daran ist, dass die bebaute Umgebung und der Gewächshausgartenbau auch nach Lösungen wie Geothermie suchen. Vielleicht sind hier also Synergien möglich. Die Aufgaben enden nicht an den Grenzen zu anderen Sektoren, sondern müssen sich gerade ergänzen.“
Mehr als nur Technologie
Neu ist auch die Erweiterung der wissenschaftlichen und sozialen Disziplinen. Kreiter: „Es wird immer häufiger deutlich, dass technisch bereits Vieles möglich ist, dass aber Nachhaltigkeit auf gesellschaftliche, juristische oder politische Hindernisse stößt. Wenn Sie sich z. B. bei der Wasserstofferzeugung hin zu Gigawatt-Elektrolyseanlagen entwickeln wollen, wirkt sich das auf die Gesellschaft aus. Die räumlichen Auswirkungen dieser Art von Anlagen ist ziemlich groß. Und Sie müssen an das Stromnetz angeschlossen werden. Ist die Kapazität im Netz pünktlich verfügbar und wer bezahlt dafür? Das sind alles Fragen, die Innovationsprozesse hemmen können und die in einen integralen Ansatz eingebunden sind. In den Branchenclustern merke ich einen großen Tatendrang hiermit zu beginnen. Die Richtung ist jetzt festgelegt, also lassen Sie uns schnell anfangen.“
European Industry & Energy Summit (EIES) 2019
Besuchen Sie den European Industry & Energy Summit (EIES) 2019 am 10. und 11. Dezember in Amsterdam.
Die europäische Prozessindustrie und der Energiesektor sind teilweise für den Klimawandel verantwortlich. Auf der anderen Seite können sie aber auch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung leisten.
Damit dies wahrgenommen und anerkannt wird, organisieren die Initiatoren TNO, FME und Industrielinqs gemeinsam den European Industry & Energy Summit (EIES) 2019.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen emissionsfreier Wasserstoff, chemisches Recycling, Energieeffizienz, Elektrifizierung, Kohlendioxidabscheidung, Nutzung und Speicherung (CCUS), biobasierte Ketten und mehr. Alle diese Technologien können zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen.