Auf der Suche nach zuverlässigen Technologiepartnern arbeitet die Medizintechnikbranche zunehmend mit niederländischen Zulieferern zusammen. Auf der MedtecLIVE in Stuttgart sprechen die Teilnehmer des niederländischen NL Medizintechnik Pavillons über diese wachsende Zusammenarbeit.
Die Besucher der MedtecLIVE with T4M vom 3. bis 5. Mai in Stuttgart konnten es kaum übersehen: 20 niederländische Medizintechnik-Unternehmen präsentierten sich unter den orangen Farben des NL Medizintechnik Pavillons. Sie sind damit die größte Delegation von außerhalb der DACH-Länder.
Der NL Medizintechnik Pavillon wurde von Brainport Industries, BOM Brabant, Oost NL, LIOF und WTC Twente organisiert. Die Zusammenarbeit zeigt, wie sich der Technologiepakt zwischen Deutschland und den Niederlanden von einer starken Handelsbeziehung zu einer Technologiepartnerschaft entwickelt.
Die niederländische Medizintechnikbranche hat sehr viel Hightech zu bieten, sagt Hans Brouwers von Oost NL im Namen der Organisatoren. Um diese Entwicklung der Zusammenarbeit zu feiern, trafen sich die Partner aus Deutschland und den Niederlanden zu einem gemeinsamen Mittagessen. Aus Deutschland kamen Clusterorganisationen wie BIOPRO Baden-Württemberg, Forum MedTech Pharma e. V., Medical Valley EMN e. V. und MedicalMountains GmbH.

Medizintechnik erfordert mehr Präzision bei Kunststoffen
Ein Beispiel für einen solchen Hightech-Zulieferer bei NL Medizintechnik, bei dem der Anteil der deutschen Medizintechnikhersteller in den letzten Jahren stark zugenommen hat, ist der Kunststoffspezialist BKB Precision BV. Inhaber und Geschäftsführer Mannes Westhuis sagt, dass die Hersteller in erster Linie nach Produktionskapazitäten suchen, sich diese Beziehung jedoch bald intensiviert. „Wir können unseren Mehrwert zeigen, indem wir in einem frühen Stadium über die Machbarkeit, die richtige Art von Kunststoff und die Effizienz mitdenken. Schließlich haben wir über 40 Jahre Erfahrung.“
Diese Erfahrung wird in der Medizintechnik immer mehr gefragt, stellt Westhuis fest. „Der Trend geht dahin, dass alles kleiner, leichter und individueller abgestimmt werden muss. Dies erfordert zusätzliche Präzision und höhere Qualität. Weil immer mehr mit Kunststoff möglich ist, wachsen wir mit unseren Kunden.“

Als Beispiel nennt er einen aktuellen Auftrag, bei dem BKB für die Black Forest Medical Group Stabilisatoren für chirurgische Eingriffe am Schädel entwickelt hat. „Und mit niederländischen Partnern haben wir einen Prostata-Operationsroboter komplett aus Kunststoff hergestellt. Dadurch sehen Sie, dass immer mehr möglich ist.“
Komplexe medizinische Geräte erfordern eine deutsch-niederländische Zusammenarbeit
Anton van Limpt, Inhaber und Geschäftsführer von Bestronics BV, hat festgestellt, dass die europäischen Medizintechnikhersteller immer komplexere Anforderungen stellen. „Vor allem jetzt, wo die Bauteile knapp werden und neue Hightech-Produkte mehr Chips benötigen, kommt die Industrie zu uns.“
Bestronics kann auf diese Art von Nachfrage nach Leiterplatten und Hightech-Elektronik durch eine flexible Art der Produktion und Montage schnell reagieren, sagt er. „Insbesondere, weil wir eine eigene Produktion in China haben, können wir die Komponenten in der Regel leichter bekommen als über andere europäische Kanäle. Außerdem verfügen wir über einen hochwertigen Maschinenpark, der den sehr spezifischen Anforderungen der medizinischen Industrie gerecht wird.“

Bestronics ist auch regelmäßig an internationalen Kooperationen beteiligt. „Gemeinsam mit einem niederländischen Partner, der Universität Maastricht und einem deutschen Hersteller entwickeln wir nun Geräte zur Thromboseanalyse Das geschieht auf eine innovative Art und Weise, sagt er. „Normalerweise werden die Krankenhäuser erst am Ende der Entwicklung einbezogen. In diesem Fall sitzen wir seit Beginn mit der medizinischen Welt und anderen Parteien an einem Tisch. Gemeinsam machen wir auf diese Weise bessere Produkte.“
3D-Drucktechnologie macht in der Medizintechnik das Unmögliche möglich
Henk Jansen, Geschäftsführer der FMI Medisch BV nimmt mit Daumen und Zeigefinger ein kleines Teil in die Hand: einen 3D-gedruckten Wirbel aus Titan mit einer feinen inneren Struktur. „Das war bis vor Kurzem unmöglich herzustellen. Aber weil wir uns vor etwa 10 Jahren auf 3D-Drucktechnologie spezialisiert haben, können wir heute medizinische Implantate auf höchstem Niveau herstellen.“

FMI arbeitet hierbei als verlängerter Arm der großen Hersteller mit einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung. „Weil die Anforderungen in der Medizinwelt immer höher werden, muss man sich spezialisieren. Wir bringen das Produktionswissen und die Erfahrung mit, um gemeinsam ein technisch hochwertiges Produkt herzustellen, das bezahlbar und machbar ist. Das erfordert Kreativität auf beiden Seiten,“
IoT- und KI-Kenntnisse für eine neue Generation von Medizinprodukten erforderlich
Auch für die Neways Electronics International N.V. gibt es immer Herausforderungen in der Medtech-Branche, sagt Business Development Manager Jörg Planta. Das niederländische Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in Deutschland unterstützt Kunden bei der Entwicklung neuer Produkte. „Besonders in den Bereichen Diagnostik, Telemedizin und Robotik sind die Entwicklungen rasant. Da wollen wir ein verlässlicher Partner für unsere Kunden sein.“

Diese Entwicklungen erfordern viele zusätzliche Kompetenzen, die viele Unternehmen nicht im Haus haben. „Gerade in der Telemedizin und Robotik muss man viele IoT- und KI-Lösungen einsetzen. Dieser Entwicklung tragen wir Rechnung, indem wir diese in unser Kompetenzpaket aufnehmen.“
Blindes Vertrauen durch Abstimmung der grenzüberschreitenden Produktion zwischen Deutschland und den Niederlanden
Partner des Kunden zu sein, ist auch ein entscheidendes Element in der Arbeitsweise des Familienunternehmens Pillen Group, sagt Mark Pillen. „Beide Seite müssen mit der Arbeit, die wir machen dürfen, zufrieden sein. Bei Innovationen muss man den Erfolg gemeinsam teilen und sich gegenseitig voll vertrauen und einander verstehen.“
Innerhalb der Pillen Group ist die Medizintechnik ein schnell wachsendes Segment, sagt Pillen. „Wir sind gerne frühzeitig in die Entwicklung eines neuen Produkts einbezogen, weil wir dann mit unserer Erfahrung Empfehlungen geben können, um die Produktion effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Wir wollen, dass die Chemie stimmt.“
Um bei medizintechnischen Innovationen die Nase vorn zu haben, ist unkonventionelles Denken erforderlich, merkt Pillen an. „Am liebsten arbeiten wir an hochkomplexen Aufträge, denn dadurch können wir uns abheben. Durch eine frühzeitige Beteiligung an der Entwicklung können wir Produkte erschwinglicher machen und für eine effizientere Produktion sorgen.“

Wie weit eine solche Zusammenarbeit gehen kann, zeigt ein Kunde aus Nordrhein-Westfalen. „Wir haben unsere Maschinenproduktion vollständig an ihren Ablauf angepasst.“ Dazu muss die Kommunikation untereinander auf einem hohen Niveau erfolgen. „Das ist ganz schön aufregend, denn man muss sich dazu tief in die Karten schauen lassen. Man muss einander blind vertrauen und technisch verstehen. Diese Art von langjährigen Beziehungen scheinen seltener zu werden, aber für uns sind sie sehr wichtig.“
Co-engineering hebt die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden auf eine neue Stufe
Ein anderes Familienunternehmen, das immer intensiver mit deutschen Partnern zusammenarbeitet, ist die Nijdra Group. Auch sie heben sich ab, indem sie durch Co-Engineering eine sehr intensive Beziehung zu den Herstellern aufbauen, erzählen uns Account Manager Robbin van Zanten und der Geschäftsführer Dennis van Dijk. „Da die Anforderungen immer höher werden, können wir mit unserem technischen Fachwissen bei der Entwicklung von medizinischen Geräten immer mehr dazu beitragen.“
In der Coronapandemie meldete sich zum Beispiel ein großer deutscher Hersteller und wollte Geräte entwickeln, mit denen sich das Coronavirus genauer nachweisen lässt. „Wir haben das Gerät gebaut, das die Proben mit den Chemikalien mischt.“

Für Nijdra ist es wichtig, die Produktion weiter zu automatisieren und zu robotisieren, um sie bezahlbar zu halten. „Dadurch haben wir mehr Zeit, mit den Kunden an besseren Innovationen zu arbeiten. Das ist auch notwendig, denn die Anforderungen in der medizinischen Welt werden immer höher.“
Fertigungstiefe überzeugt die medizinische Industrie
In der Medizinwelt werden neben den höheren Anforderungen auch Geschwindigkeit und Wendigkeit immer wichtiger, stellt Roland Sniekers, Geschäftsführer von Euro-Techniek, fest. „Die medizinische Industrie weiß, wo sie uns für Spritzguss und Stanzen finden kann. Für sie ist es wichtig, dass wir unsere eigenen Stempel und Schablonen in unserem Werkzeugbau herstellen“, sagt er. „Alles dreht sich um eine größtmögliche Fertigungstiefe.“

Der Trend, dass Patienten möglichst wenig Zeit im Krankenhaus verbringen und daher mehr aus der Ferne überwacht werden, stellt höhere Anforderungen an Euro-Techniek. „Für die Kontrolle aus der Ferne werden mehr Geräte benötigt. Und bei deren Produktion kommen wir ins Spiel.“
Sicherheit und Reinheit erhöhen die Anforderungen in der pharmazeutischen Industrie
Die medizinische Industrie ist auch für Eriks ein Wachstumsmarkt, sagt Verkaufsleiter Koen Scheppers. „Mit unseren Dichtungen der Sealing Polymer Technology können wir Ihre Arzneimittelproduktion sichern.“ In der pharmazeutischen Industrie gibt es noch Raum für mehr Sicherheit und Reinheit, sagt er. „Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die grundlegende Sicherheit im medizinischen Prozess verbessert werden muss. Und dabei können wir helfen, besonders, wenn die Anforderungen strenger werden.“

Eriks berät Kunden im Bereich Maschinenkonstruktion in Bezug auf Formen und Materialeigenschaften. „Wir können das, weil wir die Materialien besitzen.“ Das niederländische Unternehmen mit einer Niederlassung in Deutschland sieht seinen Mehrwert vor allem im Mitdenken.
Kosteneinsparungen durch hochwertiges Outsourcing
Die zunehmende Komplexität führt zu steigenden Kosten und das macht Qocreators zu einem interessanten Partner für die europäische Medtech-Branche, sagt Coralie Gigounoux. „Wir bieten das Outsourcing von hochwertiger Produktion nach China an und sparen dadurch Kosten.“
Das Unternehmen ist in der Lage, die Bedürfnisse von Medtech-Unternehmen schnell zu verstehen und diese in ein Netzwerk chinesischer Hersteller zu übersetzen, sagt sie. „Der Vorteil besteht darin, dass wir als Ansprechpartner immer in der Nähe sind. Wir stellen in kurzer Zeit komplette medizinische Geräte aus verschiedenen Materialien her.“

Siemens suchte zum Beispiel nach einer Lösung für eine krankenhaustaugliche LED-Beleuchtung. „Diese muss besonderen Anforderungen genügen. Wir konnten das wasserdichte Kunststoffgehäuse dafür liefern.“
Für eine erfolgreiche Wertschöpfungskette in die Beziehung investieren
Für Emile Arnoldussen von AIM BV fühlt sich Deutschland nie weit weg an. Der Auftragsfertiger, der ebenfalls am Stand von NL Medizintechnik vertreten ist, befindet sich 300 Meter von der deutschen Grenze entfernt im limburgischen Brunssum. „Dadurch ist die kulturelle Barriere sehr niedrig. Wir streben eine langfristige Beziehung an und finden, dass jeder in der Kette erfolgreich sein muss, wir verstehen einander.“
Das Unternehmen montiert und produziert medizinische Produkte für OEMs. „Wir stellen 150 verschiedene Arten von Produkten her, zum Beispiel für die Zahnmedizin, die häusliche Pflege, die Altenpflege und Geräte für den Operationssaal. In manchen Fällen handelt es sich nur um einige wenige Exemplare im Jahr, in anderen um eine Massenproduktion.“

AIM strebt eine lebenslange Beziehung zu den Kunden an, sagt Arnoldussen. „Wir investieren viel in jede Produktion, deshalb muss man eine gute Beziehung zueinander haben. Vor allem jetzt, wo die Technologie immer ausgefeilter wird.“
Sich gegenseitig mit Produkt- und Automatisierungswissen auf ein hohes Niveau bringen
Für die Sanders Machinebouw BV besteht die Herausforderung darin, Prozesse zu automatisieren, für die viele Hände erforderlich sind. Inhaber und Geschäftsführer Stefan van den Nieuwenhof zeigt deshalb einen langen Medikamentenstreifen, von dem man die Medikamente für einen Patienten pro Tag abreißen kann. „Dieses Tablettendosierungssystem löst viele Probleme auf einen Schlag. Die vorhandenen Maschinen haben eine viel zu hohe Fehlerquote, wodurch nach wie vor hochqualifiziertes Personal benötigt wird, um dies zu korrigieren. Diese Individualisierung verhindert, dass wir viele Medikamente wegwerfen müssen.“
Die Maschine, die Sanders Machinebouw für ein großes Pharmaunternehmen entwickelt hat, kann persönliche Texte und sogar das Foto des Patienten auf den Medikamentenstreifen drucken. „Wir haben alles im eigenen Haus, um ein komplettes Engineering-Paket anzubieten. Unsere Kunden sind Produktspezialisten, wir sind der Automatisierungsspezialist.“

Es geht um den Mut, neue Innovationen einzusetzen, sagt Van den Nieuwenhof. „Vor Kurzem haben wir in einem Krankenhaus mithilfe von Cobots einen kompletten Prozess automatisiert, der normalerweise von Hand durchgeführt wurde. Angesichts des zunehmenden Personalmangels im Pflegesektor scheint dies eine Lösung.“
Van den Nieuwenhof genießt die Zusammenarbeit mit deutschen Kunden. Als aktuelles Beispiel nennt er ein Projekt für Ritter Sport. „Das ist zwar nicht die Medtech-Branche, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, wie ihr Produktwissen und unser Automatisierungswissen sich gegenseitig auf ein neues Niveau heben. Wir als Deutsche und Niederländer können wirklich viel voneinander lernen.“
Deutsch-niederländische Zusammenarbeit funktioniert gut in der Medtech-Branche
Die Tatsache, dass die medizinische Industrie immer komplexer wird, führt zu einer verstärkten deutsch-niederländischen Zusammenarbeit, so Paul Keijser, Business Development Executive bei Benchmark. „Der Trend, dass alles immer kleiner und leichter wird, aber auch vernetzt sein muss, bedeutet, dass wir unsere Kompetenzen gut einsetzen können. Wir sind ein globaler Auftragsfertiger, aber immer noch klein genug, um flexibel auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren zu können.“

Die deutsch-niederländische Zusammenarbeit funktioniert gut in der Medtech-Branche, stellt Keijser fest. „Der Charakter der deutschen Produkte passt gut zu unserer niederländischen Kreativität. Wir verfolgen gemeinsam einen strukturierten Ansatz.“ Die Zunahme der Pflege aus der Ferne führt zu vielen Innovationen, stellt er fest. „Es muss noch viel Arbeit geleistet werden, um dies aus technischer Sicht richtig zu organisieren. Hier können wir als europäische Medtech-Branche eine wichtige Rolle spielen.“
Kontakt zu NL Medizintechnik
Auf der MedtechLIVE präsentierten sich vom 3. bis 5. Mai 20 niederländische Medizintechnikunternehmen gemeinsam im NL Medizintechnik Pavillon. Möchten Sie mehr über die deutsch-niederländische Zusammenarbeit oder die niederländische Wertschöpfungskette erfahren? Wenden Sie sich dann an NL Medizintechnik.