Was geschieht, wenn man alles Wissen und die gesamte Erfahrung in der Logistik von der Maas bei Maastricht bis an den Rhein bei Duisburg bündelt? Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Supply Chain Valley, Peter Pardoel, möchte die Zusammenarbeit in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Humankapital und Daten nutzen, um aus den Regionen Niederrhein und Limburg ein grenzüberschreitendes Powerhouse zu machen.
In Deutschland und den Niederlanden wimmelt es von Spitzenunternehmen in der Logistik. Aber wie sorgt man dafür, dass Unternehmen auf beiden Seiten der Grenzen besser zueinander finden? Auf diese Frage sucht Peter Pardoel als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Supply Chain Valley gemeinsam mit anderen Personen auf beiden Seiten der Grenze konkrete Antworten. „Wenn man Deutsche und Niederländer in dieser Region zusammenbringt, haben wir zusammen eine äußerst starke Position innerhalb Europas.“
Auf dem Papier sieht die Idee großartig aus. Allein in Limburg gibt es nach Angaben des niederländischen Statistikamts 2.100 Logistikunternehmen und auch auf deutscher Seite ist die Branche äußerst aktiv, weiß Pardoel, der jahrelang bei DuPont de Nemour auf beiden Seiten der Grenze gearbeitet hat. „Das habe ich auch gemerkt, als ich als Vorstandsmitglied der Cabooter Group mit Sitz in Venlo am Betrieb des Bahnterminals in Kaldenkirchen beteiligt war. Erst dann erkennt man die Vorteile der deutsch-niederländischen DNA in einem Unternehmen.“
Logistische Zusammenarbeit bisher nicht selbstverständlich, weil sich die Unternehmen nicht kennen
Innerhalb von Unternehmen funktioniert es, viele Firmen haben eine Niederlassung im Nachbarland. Und auch im privaten Bereich sehen Deutsche und Niederländer die Vorteile, sagt er. „Wir Niederländer gehen gerne in Mönchengladbach einkaufen und aus Deutschland kommen die Leute gerne nach Venlo. Unter Logistikunternehmen muss sich diese Selbstverständlichkeit noch entwickeln, denn wir haben einander etwas zu bieten.“
Diese Selbstverständlichkeit gibt es bisher nicht, weil die Unternehmen noch zu wenig über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten wissen, findet Pardoel. „Deswegen wollen wir als Supply Chain Valley gemeinsam mit den deutschen Interessengruppen herausfinden, wie wir einander ergänzen können.“ Denn beide Länder stehen vor großen Herausforderungen wie der Verringerung der CO2-Emissionen, der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, dem Fachkräftemangel, Innovationen und dem Ausbau der Digitalisierung, sagt er. „Diese Probleme machen nicht an der Grenze halt. Gemeinsam können wir sie besser angehen als allein.“
Limburg und der Niederrhein sind beide stark in der Logistik und im Supply Chain Management, sagt er. „Aber wie viel besser könnten wir sein, wenn wir unsere Kräfte bei Innovationen, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Humankapital bündeln? Gemeinsam können wir unsere regionalen Interessen in Europa verteidigen.“
Gegenseitiges Kennenlernen durch grenzüberschreitenden Datenaustausch
In der Praxis ist die Grenze hierbei noch zu oft ein Hindernis. Die Limburger Transportbranche ist stark auf den Hafen von Rotterdam ausgerichtet und kann jeden Container digital ganz genau verfolgen. „Aber wenn wir den Container in Venlo ausladen und die Ladung zum Beispiel nach München weiter transportieren, gibt es kein System, das nahtlos daran anschließt.“
Pardoel nennt ein weiteres Beispiel. Wenn nun ein Lkw mit halber Ladung von Venlo und ein anderer halbvoller Lkw aus Mönchengladbach zur gleichen Zeit in Richtung München fahren, weiß niemand davon. „Wenn man als Logistikunternehmen in der Region diese Informationen voneinander hat, kann man zusammen Kosten einsparen und den CO2-Ausstoß verringern.“

Supply Chain Valley möchte gerne den Datenschatz aus den Niederlanden mit den Daten in Deutschland verknüpfen. „Indem wir diese Art von Daten einsehbar machen, können wir anhand dieser Erkenntnisse alle wirtschaftlicher und nachhaltiger arbeiten.“
Dieses geteilte Wissen kann seiner Meinung nach außerdem den gegenseitigen Handel und Innovationen erheblich fördern. „Wir lernen uns besser kennen, vertrauen einander und sprechen häufiger miteinander.“ Dadurch wird ein grenzüberschreitender Lernprozess in Gang gesetzt, erwartet Pardoel. „Innovation entsteht nicht, wenn man unter sich bleibt. Wirklich neue Erkenntnisse bekommt man nur durch den Blick zu den Nachbarn und die Einbeziehung anderer Ökosysteme. Das kann uns als Region nur stärken.“
KMU stehen zunehmend unter Druck
Supply Chain Valley unterstützt seine Mitgliedsunternehmen bei der Durchführung von Assessments, um zu prüfen, ob die Unternehmen gut informiert und auf neue Rechtsvorschriften vorbereitet sind, wie innovativ und nachhaltig sie sind und was ihre Kunden jetzt und in Zukunft benötigen. Denken Sie dabei zum Beispiel an soziales Unternehmertum oder Digital Readiness. „Indem man sich als Unternehmen besser kennenlernt, kann man auch seine Prioritäten besser setzen.“
Pardoel denkt, dass Unternehmen bald die Vorteile des grenzüberschreitenden Datenaustauschs und der engeren Zusammenarbeit erkennen werden. „Die Herausforderungen für die einzelnen Unternehmen werden so große, dass wir uns beeilen und zusammenarbeiten müssen, um sie bewältigen zu können. Wir brauchen einander einfach.“
Er erwartet, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen in den kommenden Jahren noch stärker unter Druck geraten werden. Häufig liegt das daran, dass KMU als Dienstleister für größere Unternehmen tätig sind, die allen ihren Lieferanten und Dienstleistern Standards und Anforderungen auferlegen. „Die großen Konzerne und die kleinen Spezialisten werden es schaffen. Aber als KMU stehen Sie vor äußerst schwierigen Entscheidungen. Die Entscheidungen sind leichter zu treffen, wenn man sich selbst, aber auch seine Umgebung, besser kennt. Dazu sind Daten notwendig.“

Er will dabei nicht einfach über die bestehenden Unterschiede hinweggehen. „Man sollte die Emotionen nicht ignorieren. Zusammenzuarbeiten ist schwierig, aber wir wissen auch, dass wir es bald nicht mehr allein schaffen werden.“ Grenzüberschreitende Offenheit beginnt mit Respekt. „Bei einem schweren Unwetter oder einem großen Brand stehen die Rettungsdienste auf beiden Seiten der Grenze bereit. Das müssen wir auf Unternehmensebene genauso selbstverständlich werden lassen. Proaktiv und im übertragenen Sinn nicht erst dann, wenn das Feuer schon ausgebrochen ist. Gemeinsam sind wir stark in Europa.“
Dabei weist Pardoel darauf hin, dass Supply Chain Valley keine staatliche, sondern eine unternehmerische Organisation ist, die weitgehend von Unternehmen selbst finanziert wird. „Staatliche Budgets werden knapper und wir können uns nicht zurücklehnen und darauf warten, was sich die Regierung einfallen lässt. Eigenverantwortung übernehmen. Ich bin daher von der Notwendigkeit von mehr öffentlich-privaten Partnerschaften überzeugt. Schließlich müssen wir auch das gemeinsam tun.“
Deutsche und niederländische Unternehmen arbeiten gemeinsam an Zukunftsvision für die Region
Supply Chain Valley hat jetzt zwei Standorte. Der Hauptsitz befindet sich im Innovation Supply Chain Hub in Venlo und auf dem Brightlands Campus in Venlo befindet sich eine Abteilung, die auf das Ökosystem Agrifood ausgerichtet ist. „Wir suchen jetzt auch einen Standort in Deutschland, wo wir mit deutschen Kollegen gemeinsam an einer starken Logistikregion arbeiten können.“
Auf Grundlage einer Studie unter der eigenen Interessengruppe hat die Stiftung einen Fünfjahresplan entwickelt, der jährlich aktualisiert wird. „Dies übersetzen wir jetzt ins Deutsche und ich hoffe, dass wir bei den nächsten Aktualisierungen Input von unseren deutschen Nachbarn haben. Auf diese Weise entwickeln wir eine gemeinsame Vision für die Region.“
Supply Chain Valley hat sich im Frühjahr zusammen mit 18 Unternehmen auf der transport logistic in München präsentiert. „Dort haben wir gute Kontakte zu Logistikclustern wie Konstanz, Danzig, Triest und Paris geknüpft. Stellen Sie sich vor, dass Mönchengladbach und Venlo gemeinsam bei Vereinbarungen zum Thema Nachhaltigkeit mit Reedereien gemeinsam auftreten. Das wäre ein enormer Fortschritt.“
Inzwischen ist Supply Chain Valley in Deutschland dem Kompetenznetz Logistik.NRW und dem Euregionalen Wirtschaftsclub Maas Rhein beigetreten und arbeitet mit der Euregio Rijn-Maas-Noord zusammen.