Die deutsch-niederländische Zusammenarbeit in der Halbleiterindustrie ist so erfolgreich, dass die niederländische Ministerin für Wirtschaft und Klima, Micky Adriaansens, bei einem Besuch in Berlin nach weiteren Wertschöpfungsketten suchen will.
Die russische Invasion in der Ukraine hat die Dringlichkeit einer engeren Zusammenarbeit in Europa nur noch verstärkt. Deshalb besucht Ministerin Micky Adriaansens ihren deutschen Amtskollegen Robert Habeck und Verkehrsminister Volker Wissing in Berlin.
Die Energiefrage habe diese Gespräche dominiert, sagt Adriaansens in einem Exklusivinterview mit Niederlande Nachrichten. „Aber wir denken in den Bereichen Technologie und Innovation, CO2-Einsparung und digitale Märkte auch langfristig. Die Kernfrage lautet: Wie können wir in diesem Bereich zusammenarbeiten?“
Dabei können die Minister Adriaansens und Habeck auf den deutsch-niederländischen Innovations- und Technologiepakt aufbauen, den die Nachbarländer bereits 2021 unterzeichnet haben. „Wir sind beide erst vor Kurzem ins Ministeramt gekommen. Daher ging es bei diesem Treffen hauptsächlich darum, zu sehen, was wir bereits gemeinsam tun und in welchen Bereichen wir einander noch mehr stärken können.“
Deutsch-niederländische Kooperationen wie ASML, TRUMPF und ZEISS
Ein bekanntes Beispiel für eine erfolgreiche deutsch-niederländische Zusammenarbeit auf hohem Niveau ist die Art und Weise, in der die niederländische ASML gemeinsam mit den deutschen Unternehmen TRUMPF und ZEISS an Innovationen arbeitet. „Das Ökosystem in der Halbleiterindustrie funktioniert also gut. Wir haben darüber gesprochen, wie wir das noch verbessern können, aber auch darüber, ob wir uns gegenseitig stärken können, zum Beispiel im Bereich Quantenmechanik. Und können wir das ausweiten? Können Deutschland und die Niederlande gemeinsam eine führende Rolle für Europa übernehmen?“
Diese Botschaft vermittelte Adriaansens wenig später auch auf dem Tag der Industrie in Berlin, der Jahreskonferenz des deutschen Industrieverbands BDI. „Ich möchte betonen, dass Europa eine große Stärke hat, wenn wir auf dem aufbauen, worin wir stark sind.“
Halbleiter als neues Öl für Wirtschaft und Gesellschaft
Bereits bei der Unterzeichnung des deutsch-niederländischen Innovations- und Technologiepakts im Jahr 2021 betonten beide Länder, dass es bei der Zusammenarbeit um Innovationen gehen soll. Um dies zu konkretisieren, nahm Marc Hendrikse, Vorsitzender des Spitzensektors High Tech Systeme und Materialien (HTSM) und Holland High Tech, an einigen der Diskussionen rund um den Tag der Industrie teil. „Die Tatsache, dass unsere Wirtschafts- und Klimaministerin beim „Tag der Industrie“ neben ihrem deutschen Amtskollegen und dem deutschen Bundeskanzler auf der Bühne steht, zeigt, wie sehr die Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland im Bereich von technologischen Innovationen in den letzten Jahren gewachsen sind.“
Theo Henrar, der Vorsitzende des Unternehmerverbands FME, war ebenfalls Teil der Delegation, in der Halbleiter ein wichtiges Thema waren. „Mikroelektronik und Halbleiter sind als Schlüsseltechnologien entscheidend für die Zukunft Europas. Manche bezeichnen Halbleiter sogar als das ‚neue Öl unserer Wirtschaft und Gesellschaft‘.“
Hendrikse ergänzt: „An diesem Tag wurde sehr deutlich, dass wir mit unseren einander ergänzenden Kompetenzen gemeinsam an der europäischen Souveränität bei Energieversorgung und Computerchips arbeiten können.“
Deutschland und die Niederlande für strategische Souveränität von Europa
Deutschland und die Niederlande untersuchen gemeinsam, wie die Zusammenarbeit bei diesen Technologien ausgebaut werden kann, sagt Henrar. „Dadurch können wir eine gemeinsame Perspektive entwickeln, wie wir diese entscheidende strategische Souveränität für die Zukunft sichern können.“
Minister Adriaansens sieht in diesem Pakt die Möglichkeit, die Position der Nachbarländer zu stärken. „Ich möchte untersuchen, ob es weitere Wertschöpfungsketten gibt, in denen sich Deutschland und die Niederlande gegenseitig stärken können. Die Wertschöpfungskette in der Halbleiterindustrie ist ein gutes Beispiel, das wir auf weitere Bereiche übertragen sollten.“
Adriaansens kehrt mit einem guten Gefühl nach Den Haag zurück. Nicht nur, dass sie in Habeck einen „gleichgesinnten“ Kollegen gefunden hat, der in vielen Punkten die gleiche Meinung vertritt. „Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten mit Deutschland, als wir in den Niederlanden manchmal denken. Dadurch verlaufen Gespräche wie heute so reibungslos. Es ist schön, in diesen unruhigen Zeiten einen großen Bruder in Europa zu haben.“