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Offshore-Plattformen als strategisches Glied bei der Energiewende

Es gibt Pläne, Offshore-Windenergie als Wasserstoffgas zu nutzen. Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, dass noch nie jemand Wasserstoffgas offshore produziert hat. Deshalb untersuchen Nexstep und TNO, wie sich eine Elektrolyseanlage unter den schwierigen Bedingungen einer Offshore-Produktionsplattform von Neptune Energy verhält.

Diese und andere Themen werden beim European Industry & Energy Summit (EIES) 2019 am 10. und 11. Dezember in Amsterdam im Mittelpunkt stehen.

Text: David van Baarle

„Die Niederlande verdanken einen großen Teil ihres Reichtums ihrer einzigartigen geografischen Lage“, sagte der niederländische Minister für Wirtschaft und Klima, Eric Wiebes, kürzlich bei der Übergabe eines Berichts zu sogenanntem blauem Wasserstoff. „Seit Jahren profitieren wir von der Nordsee, tief genug für die Schifffahrt und flach genug, um die Gasquellen unter dem Meer kostengünstig ausbeuten zu können.“

Der Minister ist der Meinung, dass die Niederlande diese Position auch in einem neuen Kapitel der Energieversorgung nutzen sollten: dem Übergang zu einer CO2-emissionsfreien Energieversorgung. Für blauen Wasserstoff sind die erschöpften Gasfelder unter der Nordsee ein strategisches Speichermedium für ausgestoßenes Kohlendioxid. Aber schon früher erwies sich die Nordsee bei der Erkundung von Offshore-Windparks als sehr vorteilhaft.

Die Niederlande verfügen heute über rund ein Gigawatt Offshore-Windenergie und müssten diese Kapazität bis 2023 vervierfachen. Bis 2030 strebt die Regierung sogar eine Offshore-Kapazität von elf Gigawatt an. Neben der Tatsache, dass dies eine große Herausforderung für den Bau der Parks darstellt, ist ein weiterer heikler Punkt, diese Energie an Land zu bringen.

Die Regierung beschloss, für das Offshore-Elektrizitätsnetz zu bezahlen, und Netzbetreiber TenneT baute in diesem Sommer seine erste so genannte Steckdose auf See. Die Plattform Borssele Alpha transportiert siebenhundert Megawattstunden Windkraft zum Festland. Das sind 2,5 % des niederländischen Stromverbrauchs. In den kommenden Jahren wird TenneT insgesamt zehn solcher Plattformen errichten. Billig ist das sicherlich nicht: Die erste Plattform kostete hundert Millionen Euro, was die Gesamtinvestition auf eine Milliarde Euro erhöht. Und dabei ist die Investition in die Kabel nicht einmal berücksichtigt.

Wasserstoff

Nexstep, eine Partnerschaft zwischen Energiebeheer Nederland (EBN) und der niederländischen Öl- und Gasindustrie (Nogepa), ist der Meinung, dass es deutlich billiger sein kann den Strom aus Windenergie an Land zu bringen. Die Gasinfrastruktur in der Nordsee, welche die Fördermengen der 150 Offshore-Produktionsplattformen an Land bringt, kann auch Wasserstoff transportieren. Das North Sea Energy Consortium hat bereits in einer Studie von Prof. dr. Catrinus Jepma von der Rijksuniversiteit Groningen (RUG) die Möglichkeiten der Wasserstofferzeugung in der Nordsee untersucht. Er berechnete, dass es möglich sei, Offshore-Wasserstoff zu produzieren und zu einem Preis von drei Euro pro Kilo an Land zu bringen, wenn man die Kosteneinsparungen bei Kabeln berücksichtigt. Das ist noch immer teurer als der heute von der Industrie verwendete Grauwasserstoff. Die Kosten dafür liegen bei etwa eineinhalb bis zwei Euro. Da bei diesem grünen Gas jedoch keine Emissionen anfallen, ist der Preis jedoch immer noch recht günstig.

Der Business Case von Jepma beruhte auf zwei Produktionsplattformen von Neptune Energy (damals Engie): eine Plattform in Küstennähe und eine über 250 Kilometer von der Küste entfernt. Jepma verglich auch die Kosten für das Beimischen des Gases in bestehenden Rohrleitungen und den Bau einer gesonderten Rohrleitung. Für kurze Entfernungen war die letzte Option am kostengünstigsten, bei größeren Entfernungen war die Beimischung die beste Option.

Testfall

Obwohl Jepmas Forschung vielversprechend ist, war es bisher nur eine Übung auf dem Papier. Nexstep will das jetzt verändern. Gemeinsam mit TNO und dem jungen Offshore-Unternehmen Neptune Energy testet man die Wasserstoffproduktion in einer anspruchsvollen Umgebung einer Offshore-Produktionsplattform in der Praxis. Lex de Groot ist Geschäftsführer von Neptune Energyin den Niederlanden. Neptune ist ein junges Explorations- und Produktionsunternehmen, das im Jahr 2015 gegründet wurde. Anfang 2018 übernahm Neptune Energy die Offshore- und Onshore-Assets von Engie E&P. Wir betreiben inzwischen Assets in acht Ländern wie Algerien, Norwegen, Großbritannien und Deutschland. In den Niederlanden haben wir etwa dreißig Plattformen in der Nordsee, darunter die Q13a-Plattform vor der Küste von Scheveningen. Wir wollen diese Plattform als Testcase für die Wasserstoffproduktion nutzen. Der Vorteil der Q13a-Plattform ist, dass sie über ein Landkabel bereits mit grünem Strom versorgt wird. „Dann ist es ziemlich einfach, diesen Strom zu nutzen, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten.“

Elektrolyseanlagen

Aus technischer Sicht ist die Herstellung von Wasserstoff nicht einmal sehr komplex. René Peters, Leiter der Gastechnologie bei TNO, wird sich um diesen Teil kümmern. „Wenn es um Elektrolyseanlagen geht, hat man drei Möglichkeiten“, sagt Peters. „Alkalische, Polymerelektrolytmembran- (PEM) oder Festoxid-Elektrolyseanlagen. Alkalische Elektrolyseure sind robust und bewährt, haben aber einen relativ großen Fußabdruck und einen niedrigeren Wirkungsgrad als PEM. Festoxid-Elektrolyseanlagen sind vor allem noch ein großes Versprechen, haben sich aber in der Praxis kaum bewährt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass PEM-Stacks besser als alkalische mit Schwankungen in der Stromversorgung umgehen können. Das müssen Sie bei einer Anlage berücksichtigen, die Windkraft in Wasserstoff umwandelt. Hilfreich ist auch, dass PEM bei einem Druck von 30 bar Wasserstoff produziert. Dadurch müssen wir das Gas nicht mehr verdichten, bevor wir es ins Gasnetz einspeisen. Denn auch das ist Teil der Studie. Zusammen mit dem von Neptune produzierten Erdgas leiten wir das Gas zu einer benachbarten Plattform von Taqa. Mit der 1-Megawatt-Anlage, die wir bauen wollen, produzieren wir etwa zweihundert Kubikmeter Wasserstoffgas pro Stunde. Das ist ein zu geringes Volumen, um etwas anderes damit zu machen. Langfristig könnte man aber auch die Nutzung des Gases als eigene Energieversorgung für die Plattformen in Erwägung ziehen.“
Selbstverständlich wird auch Wasser für die Herstellung von Wasserstoffgas benötigt. Dazu wird TNO eine Umkehrosmoseanlage auf der Plattform bauen, die Meerwasser in Süßwasser umwandelt. Peters: „Es gab Versuche mit direkter Elektrolyse von Meerwasser, aber diese Technologie befindet sich noch in einem zu frühen Stadium für den Einsatz in diesem Umfang.“

Schwere Bedingungen

Wie sich zeigt, weicht die Konfiguration grundsätzlich nicht so stark von den Anlagen an Land ab. „Wir wissen jedoch nicht, wie sich eine solche Anlage auf See verhält“, sagt Peters. „Auf See herrschen schließlich härtere Bedingungen als an Land. Mit viel Wind, Temperaturschwankungen und vor allem Salz und Wasser. Wir möchten wissen, was das für die Zuverlässigkeit der einzelnen Bauteile bedeutet. Sind die Degradationsprofile vergleichbar mit Anlagen an Land oder können sie stärker verschleißen? Das alles sind Fragen, die wir nur beantworten können, wenn wir sie in der Praxis testen. Und natürlich geben wir auch einen Einblick in die Kosten. Wir können die Anlagen in Seecontainern bauen und betreiben, aber man muss sie noch liefern und anschließen.

Ebenfalls ist der Betrieb einer solchen Anlage auf einer laufenden Produktionsplattform neu. Deshalb müssen wir auch Fragen zu Sicherheit, Gesundheit und Umwelt beantworten. Schließlich müssen wir auch den Gesetzgeber und die Regulierungsbehörden davon überzeugen, dass es sicher ist, eine Wasserstoffproduktionsanlage in einer ATEX-Umgebung zu installieren.“

Integration

De Groot skizziert die Situation in der Nordsee. „Die wirklich großen Gasreserven haben ihre Produktionsspitze überschritten. Die großen Explorations- und Produktionsgesellschaften haben die Nordsee bereits weitgehend verlassen und ihre Assets an kleinere Parteien verkauft. In den kommenden Jahren gibt es noch genügend Gas zu fördern, was angesichts der Entwicklungen im Umfeld der Gasproduktion an Land in Groningen erfreulich ist. Aber die Margen werden immer geringer. Eine Produktionsplattform und die dazugehörige Infrastruktur auf dem neuesten Stand zu halten, kostet nun einmal viel Geld. Es ist immer billiger und umweltfreundlicher, das Gas möglich aus der Nähe zu beziehen und ein eigener Gasvorrat bietet auch den Niederlanden strategische Vorteile. Der Business Case wird jedoch immer dünner. Die Regierung kann uns durch steuerliche Maßnahmen unterstützen, aber wir sehen auch viele Möglichkeiten für die Integration mit dem neuen Energieumfeld. Wenn wir die Kosten für Infrastruktur und Kompressoren mit anderen Parteien teilen können, wirkt dies in beide Richtungen. Wir werden noch lange produzieren können und unterstützen damit die Energiewende, während die Offshore-Windindustrie einen fliegenden Start erhält. Nicht nur, weil die Anlandung der Energie günstiger wird, sondern auch, weil sich Gas einfacher speichern lässt als Strom.“

Die Uhr tickt

Für Neptune Energy und den Rest der Eigentümer der Offshore-Plattformen in der Nordsee besteht eine gewisse Dringlichkeit. Entwicklungsleiter Rene van der Meer von Neptune: „Wenn eine Plattform nicht mehr produziert, muss sie per Gesetz zurückgebaut werden. Diese Demontage kostet viel Geld. Es wäre jedoch schade, wenn einerseits Plattformen zurückgebaut und andererseits neue Plattformen für den Energietransport gebaut würden. Dann können Sie die vorhandenen Assets besser nutzen und an die neuen Anforderungen anpassen. Das Ärgerliche ist nur, dass inzwischen eine Reihe von Hub-Plattformen angesprochen wurden, die beim Transport von Wasserstoff oder beispielsweise bei der Speicherung von CO2 in den Feldern zum Drehpunkt werden können. Genau hier läuft die Uhr, denn dies sind die ältesten Plattformen in der Nordsee. Wenn in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine Entscheidungen über den Fortbestand dieser Plattformen getroffen werden, können wir sie nur noch zurückbauen. Die zugehörige Infrastruktur kann dann auch nicht mehr genutzt werden. Derzeit sind noch rund 150 Plattformen in Betrieb, die von jetzt bis in 20 Jahren nicht mehr für die Gasförderung benötigt werden. Der Rückbau der Plattformen und die Schließung der Bohrlöcher ist sehr teuer. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir die Investitionen in der Nordsee bestmöglich nutzen, damit die Energiewende auch bezahlbar bleibt.“

An den Parteien, die an dem Pilotprojekt beteiligt sind, soll es nicht liegen. Neptune und TNO gehen davon aus, den Projektumfang im ersten Quartal 2020 festgelegt zu haben, sodass sie das Material im Sommer bestellen können. Das bedeutet, dass im Sommer 2021 mit den ersten Tests begonnen werden kann. De Groot: „Wir bleiben ein E&P-Unternehmen und betrachten die Wasserstofferzeugung nicht als eine unserer Kernaufgaben. Das bedeutet nicht, dass wir nicht mit dem Strommarkt zusammenarbeiten wollen. Gerade in der Zusammenarbeit entstehen die besten Lösungen.“

European Industry & Energy Summit (EIES) 2019

Besuchen Sie den European Industry & Energy Summit (EIES) 2019 am 10. und 11. Dezember in Amsterdam.

Die europäische Prozessindustrie und der Energiesektor sind teilweise für den Klimawandel verantwortlich. Auf der anderen Seite können sie aber auch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung leisten. Damit dies wahrgenommen und anerkannt wird, organisieren die Initiatoren TNO, FME und Industrielinqs gemeinsam den European Industry & Energy Summit (EIES) 2019.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen emissionsfreier Wasserstoff, chemisches Recycling, Energieeffizienz, Elektrifizierung, Kohlendioxidabscheidung, Nutzung und Speicherung (CCUS), biobasierte Ketten und mehr. Alle diese Technologien können zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen.

Weitere Informationen und Anmeldung

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