Der Pionier der Präzisionslandwirtschaft, Jacob van den Borne, stößt mit seinem Ansatz auf weltweites Interesse. Mit Big Data und künstlicher Intelligenz bewahrt der innovative Landwirt das Gleichgewicht zwischen dem Landwirt und seiner Umgebung.
Chemikalien und Kunstdünger haben der Landwirtschaft in Europa in den letzten Jahrzehnten zu beträchtlichem Wachstum verholfen und waren eine wichtige Säule für den wachsenden Wohlstand. Als er 2009 den elterlichen Betrieb übernahm, lernte der Ackerbauer Jacob van den Borne die Kehrseite kennen, als er mit seinen Händen durch den Sand wühlte. Der Boden, auf dem seine Familie die ganzen Jahre Kartoffeln angebaut hatte, kam an seine Grenzen. Die Auslaugung hat unter anderem zu niedrigeren Ernteerträge geführt.
Bei Van den Borne läuteten alle Alarmglocken. Um die Probleme zu verstehen, wollte er wissen, wie sein Vater und sein Großvater früher damit umgegangen sind. Diese Informationen fand er in den Tagebüchern, die viele Landwirte, jeden Abend akribisch führten. Sehr spezifische Informationen über die Felder, das Wetter und Krankheiten. Die Daten, die dem Großvater halfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Van den Borne trat in die Fußstapfen seiner Vorfahren und tat es ihnen gleich. Daten und Informationen sammeln. Nicht in Büchern, sondern digital. Die systematische Aufzeichnung dieser Daten legte den Grundstein für seine Präzisionslandwirtschaft, um ökonomisch und ökologisch effektiver zu wirtschaften.
Experimentieren mit Daten auf dem Kartoffelacker
Unter anderem in Zusammenarbeit mit der Universität Wageningen & Research begann er mit datengesteuerten Experimenten auf seinem eigenen Grundstück. Durch die Unterschiede in den Erträgen bei verschiedenen Anbauarten wurde Jacob immer neugieriger, an welchen Stellschrauben er weiter noch drehen konnte.
In den letzten 10 Jahren hat sich die Vision zu einem 16-stufigen Zyklus der Präzisionslandwirtschaft entwickelt, der über das ganze Jahr durch Daten und Technologie gesteuert wird. Sein Ansatz erweckte viel Aufmerksamkeit. In der Präzisionslandwirtschaft zählt er zu den weltweit führenden Personen. Studienclubs und Interessengruppen aus der ganzen Welt kommen nach Noord-Brabant, um den Kreislauf und seine praktischen Auswirkungen auf den Anbau und die Umwelt zu verstehen. „Der Kreislauf dreht sich um das Prinzip der Präzisionslandwirtschaft: das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu tun.“

Technologie als Werkzeug, um den Boden zu verstehen
In der Präzisionslandwirtschaft liegt der Schwerpunkt häufig auf Technologie, Software, Sensoren und Datenverarbeitung. Dieses Bild stellt Van den Borne gerne richtig. „Technologie ist nichts weiter als ein Werkzeug, ein Hilfsmittel. Ich wühle immer noch mit meinen Händen in der Erde und brauche mein ganzes Wissen und meine Erfahrung, um auf Grundlage der Informationen, die mir die Technologie liefert, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“
Dabei verweist er auf seinen Großvater, der alles in sein Notizbuch eintrug, zurückblätterte und alte Notizen mit neuen Erkenntnissen verglich. „Was Opa gemacht hat, war eigentlich maschinelles Lernen in seinem Kopf.“ Sein heutiger Ansatz unterscheidet sich nur geringfügig. „Das Grundprinzip ist dasselbe. Wie kann man einen höheren Ertrag pro Hektar erzielen und gleichzeitig den Boden und die Umwelt schonen? Die Technologie hilft mir, besser zu verstehen, was ich tue.“
Die Präzisionslandwirtschaft ist für Landwirte, die gerade erst anfangen, sehr konfrontierend, das weiß der Landwirt aus eigener Erfahrung. „Man sieht die Daten und merkt: Ich mache fast alles falsch! Ich habe zwar gedüngt, aber das hatte nicht die richtige Wirkung.“
In großem Maßstab nachhaltiger werden
Das ist der Grund, warum Van den Borne für viele Landwirte, Lieferanten und Universitäten, die etwas ausprobieren wollen, zu einem Experimentierfeld geworden ist. „Für einen Landwirt gilt häufig: Erst sehen und dann glauben. Sie wollen den Beweis haben, dass eine Methode Geld spart oder die Umwelt verbessert.“
Der Einsatz von mehr Technologie kostet mehr Geld, daher ist die Frage, ob sich die Innovation auszahlt, sehr berechtigt, sagt er. „Wir machen das auf 1.000 Hektar. Wir haben errechnet, dass der Wendepunkt für uns bei etwa 400-500 Hektar liegt, damit sich die Präzisionstechnik rechnet.“
Wer weniger Hektar Land zur Verfügung hat, kann seiner Meinung nach trotzdem über Präzisionslandwirtschaft nachdenken. „Wenn man ausrechnet, dass sich eine Investition in Präzisionstechnologie nicht auszahlt, dann muss man sich mit der Valorisierung von Daten befassen oder mit anderen Landwirten zusammenarbeiten, um die Technologie häufiger einzusetzen.“ In beiden Fällen gilt: Um nachhaltiger zu sein, muss man groß denken.
Dies mag für diejenigen, die bei nachhaltiger Landwirtschaft an Kleinbauern denken, widersprüchlich klingen. „Allzu oft werden der Einsatz von Technologie und die Skalierung mit einer ‚Amerikanisierung‘ der Landwirtschaft in Verbindung gebracht.“ Doch Präzisionslandwirtschaft zwingt zum Umdenken, sagt er. „Es geht darum, dass man genau wissen will, was wo geschieht. Wir hören auf jedem Quadratmeter auf die Bedürfnisse der Natur.“
Präzisionslandwirtschaft für das Gleichgewicht zwischen Landwirt und seiner Umgebung
Bei der Präzisionslandwirtschaft geht es um das Gleichgewicht zwischen dem Landwirt und seiner Umgebung. „Mit Hilfe von Technik herausfinden, ob das Bodenleben genügend Nahrung und Wasser bekommt.“ Es ist entscheidend zu wissen, ob zu viel oder zu wenig gedüngt wird. „Wenn Sie das wissen, dann verhandeln Sie mit Mutter Natur.“
Van den Borne spürt und sieht das Ergebnis der neuen Arbeitsmethode, wenn er mit seinen Fingern in die Erde greift. „Mit Präzisionslandwirtschaft ist eine regenerative Landwirtschaft möglich. Sie sehen, wie sich die Daten der Parzellen innerhalb von fünf bis zehn Jahren deutlich verbessern.“ Die ersten Ergebnisse sind bereits nach zwei bis drei Jahren zu erkennen, sagt er. „Dann hat man schon sehr gute Blumenerde, denn wir bieten den Pflanzen eine sehr ausgewogene Ernährung.“

Internationale Zusammenarbeit zur Verbesserung der Präzisionslandwirtschaft
Mindestens genauso wichtig wie die Technologie, so entdeckte der Landwirt, ist die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen, der Regierung und der Wirtschaft. „Dadurch bekomme ich Anregungen, besser zu werden.“
Aus diesem Grund bemüht sich Van den Borne auch aktiv um eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, unter anderem mit Deutschland. „Die Ergebnisse schienen für mich schon schnell sehr gut zu sein. Aber wenn ich weitermachen will, müssen mehr Leute mitmachen, um die Technologie und das Wissen voranzubringen.“
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden ist hier von entscheidender Bedeutung, sagt der Landwirt. „In Deutschland gibt es aus der Biolandwirtschaft viel Wissen über das Bodenleben. Und deutsche Maschinenbauer stehen an der Weltspitze. Zusammen mit unserem Wissen aus der Praxis können wir aus einer Zusammenarbeit sehr viel herausholen.“
Um diese Zusammenarbeit zwischen den Nachbarländern im Bereich intelligente Landwirtschaft zu erkunden, organisierten die Entwicklungsgesellschaften BOM, OostNL und LIOF zusammen mit dem Landwirtschaftsrat in Berlin im Herbst 2021 einen Besuch des Agrar- und Nahrungsmittelökosystems in Baden-Württemberg.
Bereits drei Wochen später fand ein Gegenbesuch in den Niederlanden mit einem Besuch des Campus Almkerk in Brabant statt. Mark Koppers, Projektleiter Internationalisierung Deutschland: „Indem wir die Experimentierfelder in Brabant mit den deutschen Experimentierfeldern verbinden, fördern wir den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit im Bereich intelligente Landwirtschaft.“
Der geschäftsorientierte Ansatz von Brabant bietet deutschen Unternehmen die Möglichkeit, Innovationen schneller zur Marktreife zu bringen, sagt er. „Umgekehrt profitieren Startups und KMU in Brabant vom Zugang zu deutschen Global Playern und dem großen deutschen Agrar- und Nahrungsmittelmarkt. Beide Besuche werden im Jahr 2022 sicherlich fortgesetzt!“
Mit Präzisionslandwirtschaft weg vom Kunstdünger
Für einen Landwirt ist es kein einfacher Schritt, auf Kunstdünger zu verzichten. Mit seiner Pionierarbeit zeigt Van den Borne, dass es möglich ist und dass es sich außerdem auch lohnt. „Kunstdünger bietet die Sicherheit, dass Sie gute Ertrag haben.“ Er vergleicht es mit dem Verzehr eines Energydrinks wie zum Beispiel Red Bull. „Egal wie müde Sie sind, Sie wissen ganz genau, dass Sie einen Schub bekommen werden. Aber besonders gesund ist das nicht.“
Im ökologischen Landbau kann man sich nicht auf Kunstdünger verlassen, in der regenerativen Landwirtschaft sind die Risiken noch größer. Eine Missernte kostet viel Geld und kann für einen Betrieb, dessen Gewinnspanne ohnehin schon gering ist, fatal sein. „Mit den Daten der Präzisionslandwirtschaft können wir die Ernte steuern und Missernten vermeiden, ohne dabei Kunstdünger einsetzen zu müssen.“
Van den Borne zufolge muss das Gleichgewicht zwischen dem Landwirt und seiner Umgebung in einem breiteren Kontext als nur der Landwirtschaft gesehen werden. „Immer mehr Leute verlassen die ländliche Umgebung, bald sind die Bauern die letzten, die täglich einen Blick darauf werfen.“ Der Landwirt ist also auch ein Förster, ein Verwalter und ein Wassermesser. „Auch hier unterstützt die Technik. Außerdem ist es ein neues Geschäftsmodell.“
Wie Landwirte mit E-Learning auf Präzisionslandwirtschaft umsteigen
Nachdem Van den Borne in den vergangenen 10 Jahren bewiesen hat, dass die Methode bei ihm funktioniert, ist es nun an der Zeit, andere Landwirte einzubeziehen. „Eine Gruppe von 160 Landwirten aus Nordbrabant und Limburg stellt auf Präzisionslandwirtschaft um. Wir betreuen sie durch Online-Kurse, Whatsapp-Gruppen und Praxistage.“
Das Coaching-Programm wird derzeit mit Hilfe von deutschen Studenten ins Deutsche übersetzt. Die Tatsache, dass die deutschen Parteien die Arbeit von Van den Borne mit großem Interesse verfolgen, hat mit der Art und Weise zu tun, wie er (oftmals deutsche) technische Systeme kombiniert und in der Praxis einsetzt. „Wir bringen das Fachwissen mit der Technologie in Kontakt und setzen es in die Praxis um.“
Die Delegationen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg reagierten in Nordbrabant überrascht. „Man war froh zu sehen, dass die Theorie in der Praxis funktioniert und wie die verschiedenen Techniken in einem Zyklus zusammenkommen.“
Datengesteuerter Landwirtschaftsbetrieb mit einem Kontrollraum wie in einer digitalen Fabrik
Der „Einsatzkontrollraum“, in dem alle Daten und Wachstumskurven der Felder in Echtzeit verfolgt werden können, ist sehr beeindruckend. „Was in einer modernen Industrie-4.0-Fabrik bereits Standard ist, übertragen wir nun auf das Land. Mit Präzisionslandwirtschaft bin ich als Landwirt in der Lage, auf Grundlage von Echtzeitdaten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wenn man das mit der Vergangenheit vergleicht, dann habe ich früher Entscheidungen auf Grundlage von Erfahrung und Gefühl getroffen. Es fühlt sich jetzt fast wie eine wilde Vermutung an.“
Van den Borne hofft, mit seinem Ansatz die europäische Zusammenarbeit zu fördern. „Unsere Aufgabe als Landwirte ist es, die europäischen Böden gesund zu machen, damit wir auch in Zukunft genügend Nahrungsmittel anbauen können. Deshalb ist es so wichtig, das Gleichgewicht für den Landwirt in seiner Umgebung zu erhalten.“