Nun da Deutschland und die Niederlande ihre Zusammenarbeit von guten Handelspartnern zu Innovationspartnern ausbauen, kann dies als Anschwung für ein digitaleres und nachhaltigeres Europa wirken, sagt Focco Vijselaar, Generaldirektor für Wirtschaft und Innovation im Ministerium für Wirtschaft und Klima. Auf der Hannover Messe werden Kooperationsprogramme zu Smart Industry und Smart & Green Mobility vorgestellt.
Vom Klimawandel, der Pandemie und geopolitischen Konflikten bis hin zu einer alternden Bevölkerung. Allein diese Entwicklungen zwingen Europa zu Übergängen, bei denen eine bessere Zusammenarbeit untereinander von entscheidender Bedeutung ist.
Für Focco Vijselaar, Generaldirektor für Wirtschaft und Innovation im Ministerium für Wirtschaft und Klima, ist die Hannover Messe eine gute Gelegenheit, mit Niederlande Nachrichten darüber zu sprechen, wie die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der niederländischen Industrie Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Europa beschleunigen kann.
Offene strategische Autonomie für Europa hat Gewicht in der Weltwirtschaft
Warum ist eine offene strategische Autonomie für Europa so wichtig?
Angesichts der aktuellen geopolitischen Entwicklungen wollen die Niederlande ein unverzichtbarer geoökonomischer Partner für gleichgesinnte Länder innerhalb und außerhalb der EU bleiben. Unsere gemeinsamen Industrien bedienen Grundbedürfnisse wie Kleidung, Lebensmittel, Arzneimittel, Transport, Kommunikation und Lösungen für unsere Verteidigung. Hierbei will man als Land und als Europa nicht zu sehr von anderen Ländern abhängig sein, wie es bei bestimmten Rohstoffen und (digitalen) Technologien der Fall ist. Beispiele hierfür sind bestimmte Arzneimittel, medizinische Geräte und Halbleiter.
Wie sieht diese offene strategische Autonomie für Europa im Idealfall aus?
Unser europäischer Binnenmarkt und die gegenseitige Verflechtung unserer Industrien bedeuten, dass wir zusammenarbeiten müssen, um unerwünschte Abhängigkeiten zu vermeiden und in bestimmten Schlüsseltechnologien, wie der Halbleiterindustrie oder beim Thema Nachhaltigkeit, führend zu sein. Die IPCEI (Important Projects of Common European Interest – wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse, z. B. Wasserstoff, Mikroelektronik und Cloud) sind ein gutes Beispiel dafür, wie Europa die gebündelte Wirtschaftskraft der EU-Mitgliedstaaten nutzt, um sein Gewicht in der Welt geltend zu machen.
Nachhaltigkeit bietet langfristig große Chancen für Europa
Was muss geschehen, damit wir als Europa nachhaltiger werden?
Nachhaltigkeit ist eine Herausforderung für die Industrie und bietet Europa gleichzeitig längerfristige Chancen. Gemeinsam müssen wir für die notwendige Reduzierung der CO2-Emissionen sorgen und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft schaffen. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Normen, Preisen und Anreizen mit dem Ziel eines nachhaltigeren Europas.
Um diese Möglichkeiten zu nutzen und eine effektive CO2-Reduzierung und Wiederverwendung von Rohstoffen zu erreichen, sind innovative Techniken erforderlich. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene werden öffentlich-private Initiativen und Ressourcen für die Energiewende und für Nachhaltigkeit eingesetzt. Die Verantwortung liegt sowohl bei der Regierung als auch bei der Industrie.
Wichtig ist dabei, dass die Stimulierung der Nachhaltigkeit und die Förderung der Wiederverwendung von Rohstoffen auf EU-Ebene mit entsprechenden Rechtsvorschriften erfolgt. Auf EU-Ebene erzielen wir die größte Wirkung, während wir gleichzeitig gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aufrechterhalten.
Deutsch-niederländische Smart-Industry-Fieldlabs beispielhaft für die Digitalisierung der europäischen Industrie
Was muss geschehen, damit wir als Europa digitaler werden?
Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, welche die Industrie in zweierlei Hinsicht beeinflusst. Einerseteits durch die Digitalisierung von Produktionsprozessen. Andererseits durch die Digitalisierung von Produkten. Immer mehr Produkte der Fertigungsindustrie erhalten eine digitale Komponente. Digitalisierung ist auch in erster Linie eine Aufgabe für die Industrie, da sie sich auf die Optimierung der Produktion konzentriert.
Dennoch müssen wir dafür sorgen, dass die Unternehmen in Europa ihre Digitalisierung und ihren Wissensaufbau beschleunigen. Die Rolle der Regierung besteht hauptsächlich darin, sich auf die Valorisierung, die Verbreitung von Wissen und die Entwicklung von Fähigkeiten zu konzentrieren. Das Smart-Industry-Programm hat sich zum Ziel gesetzt, die Digitalisierung der Industrie mithilfe der nationalen Smart-Industry-Fieldlabs zu beschleunigen.
In den Smart-Industry-Fieldlabs arbeiten Behörden, Unternehmen und Wissensinstitute zusammen, um digitale Technologien zu entwickeln, zu demonstrieren und umzusetzen. Im Rahmen des deutsch-niederländischen Innovationspakts arbeitet das Programm Smart Industry auch mit deutschen Partnern zusammen und es wurden gemeinsam Fieldlabs eingerichtet.
Die IPCEI-Cloud und die Einrichtung der European Digital Innovation Hubs sind gute Beispiele dafür. Ein EDIH unterstützt Unternehmen bei der digitalen Transformation, indem es Testräume zur Verfügung stellt, Vernetzungsaktivitäten initiiert, Mitarbeiter schult und weiterbildet und Zugang zu Finanzierungen bietet.
Europa steuert auf einen Fachkräftemangel zu. Was muss geschehen, um die Kompetenzen der Zukunft zu sichern? Wie könnte eine europäische Lösung aussehen?
Der Arbeitsmarkt in den Niederlanden ist angespannt, mit einem zunehmenden Mangel an technisch qualifiziertem Personal, insbesondere in der Industrie. Ohne ausreichendes technisches Personal sind Investitionen in Innovationen weniger wirksam und der grüne und digitale Wandel ist gefährdet.
Investitionen in digitale Kompetenzen, Zukunftstechnologien und Kompetenzen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sind wichtige Zukunftskompetenzen. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Bildungseinrichtungen arbeitet die Regierung unter anderem im Rahmen des Technologiepakts, von lebenslangem Lernen und des KMU-Aktionsplans daran.
Ich habe bereits die European Digital Innovation Hubs erwähnt, die sich auf die Ausbildung und Schulung von Arbeitskräften konzentrieren. Meiner Meinung nach sind dies europäische Lösungen für eine gemeinsame Herausforderung.
Deutschland und die Niederlande entwickeln sich von Handelspartnern zu Innovationspartnern
Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden liegt auf der Hand: Welche einfach erreichbaren Ziele gibt es?
Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, dass es bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Deutschland gibt. Deutschland ist bereits das größte Exportland für die Niederlande und wir sind wichtige Handelspartner.
Dennoch gibt es Raum für Verbesserungen. Die niederländische Regierung und ihre privaten Partner haben das Ziel, die Niederlande stärker als Technologie- und Innovationspartner für Deutschland zu entwickeln. Dies wollen wir durch eine verstärkte internationale Innovationszusammenarbeit erreichen, zum Beispiel durch die weitere Ausarbeitung des deutsch-niederländischen Innovationspaktes.
Auf der Hannover Messe werden die Kooperationsprogramme SMM Mobility und SMM Smart Industry gestartet, um die Industrie gemeinsam zu stärken und nachhaltiger zu machen.
Wie kann diese Zusammenarbeit mehr Schwung in die europäische Zusammenarbeit bringen?
Europa bietet der niederländischen Wirtschaft die Skalierbarkeit, die sie zur Stärkung ihrer Wettbewerbsposition benötigt. Die Industriepolitik der EU zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu verbessern und damit ihre Rolle als Antrieb für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung in Europa zu erhalten. Als zwei der innovativsten Länder der Welt können Deutschland und die Niederlande hier einen wichtigen Beitrag innerhalb der EU leisten.
Die EU ist in den letzten Jahren im Bereich der (sektorspezifischen) Industriepolitik aktiver geworden, unter anderem durch Industrieallianzen, den EU-Chips Act und die so genannten IPCEIs[1]. Auf diese Weise nimmt die Zusammenarbeit innerhalb Europas immer mehr Gestalt an. Die engen Beziehungen zwischen Regierungen und strategischen Unternehmen, wie Zeiss und Trumpf aus Deutschland sowie dem niederländischen Unternehmen ASML, sind hier von Bedeutung.
Was macht die Verbindung zwischen Deutschland und den Niederlanden so stark?
Deutschland und die Niederlande sind seit jeher natürliche Handelspartner für einander. Es gibt nur wenige Länder auf der Welt, die so selbstverständlich miteinander zusammenarbeiten und so stark voneinander profitieren. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass Deutschland und die Niederlande zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt gehören und ein hohes Wohlstandsniveau aufweisen.
Der deutsch-niederländische Innovationspakt will dies noch verstärken – Chancen gibt es vor allem in den Bereichen Digitalisierung, Energie und nachhaltige Mobilität. In diesem Jahr beginnt auch eine Reihe von mehrjährigen Kooperationsprojekten mit unseren deutschen Partnern zum Thema intelligente & nachhaltige Mobilität, wovon wir auf der Hannover Messe 2022 mehr sehen werden.
Besuchen Sie den Holland High Tech Pavillon in Halle 8 und in Halle 4
Entdecken Sie, welche niederländischen Unternehmen auf der Hannover Messe mit Deutschland an einem digitaleren und nachhaltigeren Europa arbeiten wollen. Im Holland High Tech Pavillon in Halle 8 präsentieren Unternehmen ihre Lösungen für Smart Industry, Software und Systemintegration. In Halle 4 finden Sie niederländische Zulieferer.
[1] Important Projects of Common European Interest – Wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse